Politische Provokationen sind keine harmlosen Spiele
Die Provokation bringt ein Verhalten mit sich, das die andere Seite zu einer feindseligen Reaktion veranlasst. Im nationalen und internationalen Recht kann eine Provokation eine unerlaubte Handlung oder sogar ein Verbrechen darstellen – zur Angst, Wut oder Empörung.
Im Vereinigten Königreich beispielsweise verbietet das Gesetz öffentlicher Ordnung(Public Order Act) „missbräuchliche oder bedrohliche Worte oder Verhaltensweisen“,insbesondere „zur Provokation unmittelbarer Anwendung rechtswidriger Gewalt“.
Im Gegensatz dazu ist im internationalen Recht in Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta ein absolutes Verbot der Gewaltanwendung verankert. Leider legen sich mächtige Länder Ausnahmen von dieser Regel zurecht, z.B. indem sie ein nicht existierendes Recht auf „präemptive“ Selbstverteidigung oder die so genannte Doktrin der „Verantwortung zum Schutz“ daraus ableiten, beides Mogelpackungen zur Umgehung von Art. 2(4) der UN-Charta.
Die letzten bewaffneten Konflikte in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und der Ukraine dokumentierten die Tendenz dieses Gewaltverbot aufzuweichen. Das kann durch willfährige Medien noch begünstigt werden, die Fakten und Narrative so lenken, dass Anwendung von Gewalt „legitimiert“ scheint, wie beispielsweise durch:
- die USA mit ihrer Koalition der Willigen bei ihrer Aggression im Jahr 2003 gegen den Irak, der nicht provozierte.
- Entlastung des Provokateurs, wie z.B. durch Verharmlosung der ungeheuerlichen Provokationen der NATO in der Ukraine.
Es wäre abstrus zu behaupten, die Anwendung von Gewalt im Irak wäre legitim gewesen: Es war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
Weit hergeholt klingt die Behauptung, die Invasion in die Ukraine wäre „unprovoziert“ erfolgt. Zugegeben, der Einmarsch Russlands in die Ukraine war ein schwerer Verstoß gegen die UN-Charta. Aber auch die vorangegangenen NATO-Provokationen verstießen gegen Artikel 2 Absatz 4, der nicht nur die Anwendung von Gewalt, sondern auch die Androhung von Gewalt verbietet.
Wie die Professoren John Mearsheimer, Richard Falk, Jeffrey Sachs und andere ausführten, wurde die NATO-Ost-Erweiterung von Russland als Versuch der Einkreisung und letztlich existenzielle Bedrohung wahrgenommen.
Die fortgesetzten Provokationen der NATO in Georgien, der Ukraine und anderswo stellen zweifellos geopolitische Schikanen dar, die den Buchstaben und dem Geist der UN-Charta zuwiderlaufen.
Jeder Versuch Russlands, diese Bedrohung durch friedliche Verhandlungen zu entschärfen, wie in Artikel 2 Absatz 3 der UN-Charta gefordert, wurde von den USA und der NATO zurückgewiesen.
So kann argumentiert werden, dass es verwerflicher sei, jemanden zu provozieren, als auf Provokationen aggressiv zu reagieren, denn die Provokation war vorsätzlich lanciert und nicht zufällig; doch die Reaktion darauf erfolgte ad hoc bzw. ohne Vorsatz. Provozieren bedeutet, jemanden absichtlich aufbringen, den Fehdehandschuh entgegenzuwerfen und zum Kampf herauszufordern.
Natürlich sollte der Gegenschlag im Verhältnis zur Provokation stehen. Aber wir Menschen zeigen eine beängstigende Neigung zur Überreaktion. Unter dem Strich gilt: Sowohl Provokation als auch Vergeltung sind als verwerflich zu betrachten. Aber derjenige, der provoziert, trägt die größere moralische Verantwortung.
Dementsprechend sollte politische Provokation als ein Merkmal der Aggression und als internationales Verbrechen eingestuft werden.