Europa liefert Waffen an die Ukraine, vergaß aber im Vorjahr auf die Nachproduktion. Ergebnis: Maßgebliche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall können Kiew erst in 15 bis 18 Monaten mit neuen Panther-Panzer versorgen, und das in geringer Stückzahl. In Russland läuft die Panzerproduktion unterdessen schon auf Hochtouren.
Mit Blick auf die militärische Stärke ist Russland der Ukraine klar überlegen. Im Februar 2023 betrug die Anzahl einsatzbereiter Panzer etwa 12.566. Das ist rund das Sechsfache im Vergleich zur Ukraine. Ebenso verfügt Russland über wesentlich mehr Artillerie und Raketenwerfer. Doch das ist nicht das einzige Problem. Auch bei der Waffenproduktion hinkt Europa zurzeit hinterher. „Man hat zwar kontinuierlich aus den eigenen Beständen die Ukraine unterstützt, wir haben aber nicht gleichzeitig angefangen, nachzuproduzieren“, kritisierte Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu im Jänner im Journal für Internationale Politik und Gesellschaft.
Russland werde allein in diesem Jahr 1500 Panzer herstellen, prahlte kürzlich der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats Dmitri Medwedew. Überprüfen lässt sich diese Zahl nicht. Einige Militär-Analysten halten sie für übertrieben. Doch westliche Geheimdienst-Berichte über Russlands ausgehende Munition haben sich ebenfalls nicht bewahrheitet. Während Europas Rüstungsindustrie nur langsam und verspätet in die Gänge kommt, zeigt sich jene Russlands erstaunlich fit.
Russland hatte bereits 900 Rüstungsbetriebe vor der Invasion
Schon vor der Ukraine-Invasion verfügte Russland über einen beachtlichen militärischen Komplex mit mehr als 900 Rüstungsbetrieben, sagt Alexandr Golz, Experte für Militär und Rüstung am Schwedischen Institut für Auswärtige Politik, gegenüber der „Welt“. Allein die staatliche Holding Rostec des KGB-geschulten Putin-Freundes Sergej Tschemesow umfasst mehr als 800 Unternehmen, die großteils für das Militär produzieren. Mittlerweile wird dort im Vier-Schicht-Betrieb gearbeitet. Darüber hinaus bedienen nun auch zivile Firmen wie Stahlkonzerne am Ural, den Rüstungssektor, berichtet die renommierte russische Wirtschaftswissenschaftlerin Natalja Subarewitsch. Und: „Qualifizierte junge Techniker und IT-Fachleute, die in die Rüstungsindustrie wechseln, werden von einer Einberufung ins Militär befreit.“
Gleichzeitig greift Russland auf ältere Panzer-Modelle zurück, die nun modernisiert werden. Das ist schneller und billiger, als die Produktion neuer Exemplare. Sogar die 60 Jahre alten T-62-Modelle werden aus den Lagern geholt. Allerdings ist unklar, wie viele Exemplare sich dort befinden. „In einer solchen Materialschlacht wie jetzt in der Ukraine ist es allemal sinnvoller, zwei alte Panzer als einen neuen einzusetzen“, sagt Rüstungsexperte Golz.
Auch die Sanktionen können das nicht verhindern. „Solange Russland mit China und anderen asiatischen Staaten Handel treiben kann, besteht keine Gefahr, dass dem Land das Geld ausgeht oder es gezwungen ist, auf dem Schlachtfeld zu kapitulieren“, meint der Chris Weafer, Geschäftsführer der Beratungsfirma Macro-Advisory, mit Blick auf die jüngst geschlossenen Abkommen zwischen Moskau und Peking. Auch westliche Chips gelangen nach wie vor nach Russland, und zwar auf Umwegen über die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kasachstan, wie Bloomberg berichtet.
Die Waffenindustrie in Deutschland erlebt mittlerweile ebenfalls einen Boom. Rheinmetall hat 1500 neue Stellen geschaffen. In Summe hat der Westen mehr Ressourcen als Russland. Doch die Produktion wird nur langsam gesteigert. Vieles ist zurzeit Zukunftsmusik.
Rheinmetall denkt über die Fertigung von Panzern in der Ukraine nach. Bis zu 400 Stück im Jahr sollen dort hergestellt werden – der eXXpress berichtete. Doch bis dahin wird noch viel Zeit vergehen. Rascher möchte Rheinmetall mit der Serienproduktion des neuen, selbst entwickelten Kampfpanzers Panther in Deutschland und Ungarn beginnen, sagte Rheinmetall Vorsitzender Armin Papperger. Gegenüber dem „Handelsblatt“ pries er den Panther als „modernsten Kampfpanzer der Welt“. Das Problem: Bisher gibt es davon ausschließlich Vorführmodelle. In Serienproduktion wird der Panther, der mit vollem Namen KF51 Panther heißt, bisher nicht hergestellt. Rheinmetall wird den Panther erst „in 15 bis 18 Monaten“ ausliefern können, sagt Papperger. Sobald die Serienproduktion beginnt, würden zunächst drei bis fünf Modelle im Monat gebaut werden, im Schnitt also 48 im Jahr. Später könnte die Zahl auf sieben Exemplare pro Monat erhöht werden.
Medwedew: Produzieren jetzt die benötigten Mengen von Panzern und Raketen
Sicher ist: Weder Russland noch der Westen waren auf einen Abnützungskrieg diesen Ausmaßes vorbereitet. Auf beiden Seiten gibt es Engpässe, auf beiden Seiten erhöht die Rüstungsindustrie das Tempo, doch Europa muss Versäumnisse von Jahrzehnten nachholen, und das geht nicht so schnell.
Zufrieden zeigt sich unterdessen Medwedew: „Unsere Feinde dachten, unsere Industrie würde versiegen, das heißt, wir würden alles verbrauchen – das ist ihr ständiges Gerede: ‚Wir haben keine Panzer mehr, keine Panzer, keine Raketen‘ und so weiter“, meint er hämisch. „Das Wichtigste ist, dass wir all dies jetzt in den benötigten Mengen produzieren können, und dafür werden neue Produktionsanlagen in Betrieb genommen. Ja, daran haben wir vor einiger Zeit nicht gedacht, aber es ist notwendig geworden, neue Waffenproduktionsanlagen in Betrieb zu nehmen.“
Quelle: https://exxpress.at/russland-produziert-heuer-1500-panzer-rheinmetall-kuenftig-46-panther/