Von PETER HAISENKO | Der Wertewesten hat ein Grundproblem mit Russland: Moskau hält sich an Verträge, der Westen nicht. So hat Litauen jetzt den Transitvertrag für die Enklave Königsberg gebrochen, der 2002 als Grundlage für den EU-Beitritt Litauens abgeschlossen worden ist.
Bei den Verhandlungen zur deutschen „Wiedervereinigung“ hatte Gorbatschow Kanzler Kohl angeboten, Königsberg an Deutschland zurückzugeben. Kohl hatte das rundweg abgelehnt (siehe ganz unten).
Nachdem Königsberg bei Russland geblieben ist, musste ein Transitabkommen zwischen Russland und Litauen abgeschlossen werden, um Waren auch auf dem Landweg von russischem Gebiet in russisches Gebiet störungsfrei transportieren zu können. Als Litauen 2002 der EU beitreten wollte, wurde ein Vertrag zwischen Russland, Litauen und der EU abgeschlossen, der den Transport von Waren und Passagieren durch Litauen per Bahn garantiert. Dieser Vertrag war eine der Grundlagen für den litauischen EU-Beitritt und die EU steht so auch in der Verantwortung für die Erfüllung dieses Vertrags. Diesen Vertrag hat Litauen jetzt gebrochen mit der Ankündigung, den Transit nur noch selektiv zuzulassen.
Der Bruch des Transitvertrags war nicht durchdacht
Zunächst überschlugen sich alle, Politiker und Medien der EU, die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsbruchs zu erklären. Schnell ist es aber darum ruhig geworden. Litauen selbst betont, dass es mit diesem feindlichen Akt nur EU-Sanktionen gegen Russland Geltung verschafft. Die Frage ist nun, ob es der Transitvertrag zulässt, überhaupt zu kontrollieren, was auf der Transitstrecke befördert wird. Russland selbst betont, dass auf dieser Strecke keine militärischen Güter transportiert werden und das ist glaubhaft. Aber wie funktionieren solche Transitabkommen überhaupt?
Die Züge, die aus Russland über Weißrussland und dann durch Litauen nach Königsberg fahren, unterliegen keiner Zollkontrolle. Schließlich wird weder in Weißrussland noch in Litauen etwas zu- oder ausgeladen. Die Wagons und Container sind verplombt und dürfen erst in Königsberg geöffnet werden. Man könnte also sagen, es handelt sich bei den Transitzügen um russisches Hoheitsgebiet auf Schienen und innerhalb dessen darf es keine Einschränkungen geben. Man erinnere sich hierzu an den verplombten Wagon, der Lenin von Deutschland nach Russland gebracht hat und in dem auch große Mengen Gold für die Finanzierung der Revolution transportiert worden sind. Der Sinn von solchen Transitabkommen ist, eine vom Mutterland getrennte Exklave ungestört und sicher versorgen zu können.
Der Bruch eines solchen Abkommens ist eine Blockade, auch wenn nur bestimmte Güter vom Transit ausgeschlossen werden. Das ist ein kriegerischer Akt, vergleichbar mit einer Seeblockade, wie sie von England gegen das Deutsche Reich verhängt worden ist. Hier wird sichtbar, dass es immer nur eine Notlösung sein kann, wenn Teile eines Staats isoliert vom Mutterland sind. Es ist immer ein Damoklesschwert, das jederzeit den Frieden stören kann. Genau das hat jetzt Litauen angezettelt, um Russland zu provozieren. Litauen spielt mit dem Feuer, indem es diesen Transitvertrag bricht und man kann davon ausgehen, dass sich Vilnius dafür das Plazet der NATO eingeholt hat. Allerdings war dieser provokative Akt nicht annähernd durchdacht.
Russische Transitzüge durch Litauen sind exterritoriales Gebiet
Es geht mal wieder um den § 5 des NATO-Vertrags. Der sagt unmissverständlich, dass der Beistand der NATO-Staaten nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn ein Mitglied angegriffen wird. Ist aber das NATO-Land selbst der Aggressor, kann es keine Unterstützung erhalten. Das musste schon die Türkei lernen, als es nach seinem Angriff auf Syrien den Bündnisfall ausrufen wollte. Mit seinem Vertragsbruch gegenüber Russland ist nun aber Litauen der nicht provozierte Aggressor. Da hilft es auch nicht, sich auf EU-Sanktionen zu berufen, denn diese können nicht auf eine vertraglich geschützte Transitstrecke angewendet werden. Wie gesagt, die Transitzüge durch Litauen sind für Litauen exterritoriales Gebiet, zumindest was den Warentransport betrifft.
Diese Erkenntnis scheint jetzt langsam in Brüssel durchzusickern. Die EU-Kommission bereitet derzeit ein Dokument vor, das den Transport von sanktionierten Waren nach Königsberg erlaubt, das heißt von „Russland nach Russland“, aber durch das Gebiet der EU. Litauen selbst plant hingegen ein Veto gegen die Entscheidung der EU-Kommission einzulegen. Da muss die Frage aufkommen, was das Ziel Litauens ist und wem sie gehorchen. An dieser Stelle wird erkennbar, dass es mit der vielbeschworenen Einigkeit der EU-Staaten und der NATO nicht weit her ist. Innerhalb der NATO gibt es Falken und diejenigen, die sich einen Rest an Realitätssinn bewahrt haben. Die einen glauben, einen Krieg gegen Russland gewinnen zu können, das größte Land der Erde unter ihre Kontrolle bringen zu können, und wollen deshalb diesen Krieg provozieren. Die anderen wissen um die Gefahren für sich selbst und schrammen knapp an Eskalationen vorbei, die die direkte Konfrontation auslösen könnten. Das gilt auch innerhalb der EU.
So wird verständlich, warum die EU zunächst versucht hat, die aggressive Aktion Litauens als juristisch zulässig darzustellen, um dann nach Beratung durch qualifizierte Fachleute zurückzurudern. In diesem Sinn hat sich der Gouverneur des Gebiets Königsberg Anton Alichanow auf seinem Telegram-Kanal geäußert und teilt uns etwas mit, was wir eigentlich schon wissen: „In der Europäischen Kommission gibt es mehr Bürokraten als in den Albträumen von Franz Kafka. Aber Menge bedeutet nicht Qualität, und im Falle der Bürokraten schon gar nicht – also haben sie einfach blamablen Mist gebaut, als sie Antworten auf häufig gestellte Fragen vorbereiteten. Und das ist noch milde ausgedrückt.“ Damit verwies der Chef der Region auf die zuvor von ihm selbst aufgestellte Hypothese, dass die Europäische Union bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland das Kaliningrader Gebiet und ihre eigenen Verpflichtungen zur Gewährleistung eines ungehinderten Warentransits aus Russland in diese Exklave nicht mitbedacht und somit schlichtweg vergessen habe. Wie recht er hat!
Der Kreml reagiert bedacht mit der Androhung von Sanktionen gegen Litauen
Seit Putin Präsident der Russischen Föderation ist und die Kontrolle und Ausbeutung durch das Westkapital beendet hat, versucht der Westen, die NATO, Russland zu unbedachten Handlungen zu provozieren, mit denen man dann einen „gerechten Krieg“ gegen Russland begründen kann. Das begann kurz nachdem Putin im Kreml das Sagen hatte, 1999 mit einer Revolte in Tschetschenien, die von der CIA organisiert worden ist, wie heute nicht mehr abzuleugnen ist. Dann kam 2008 der Georgien-Krieg, für den man auch dem Kreml die Schuld zuweisen wollte. Allerdings musste der EuGH später feststellen, dass auch in diesem Fall die Aggression von Georgien, also wieder der CIA, ausging und Russland keine Schuld zugewiesen werden kann. Und dann 2013/14 kam die ultimative Provokation mit dem Putsch auf dem Maidan, in den die USA fünf Milliarden Dollar investiert hatten, was sie selbst zugeben.
Mit dem Abschuss der MH 17 durch ein ukrainisches Kampfflugzeug sollte eigentlich der „gerechte Krieg gegen den Schlächter Putin“ beginnen, aber auch meine Analyse dieses Verbrechens hat dazu beigetragen, dass es eben nicht so funktioniert hat. Dass seitdem die Krim als Vorwand für Sanktionen gegen Russland missbraucht wird, erwähne ich nur am Rande. Und jetzt eben Litauen, das mit seinem feindlichen Akt um den Transitverkehr wieder Russland als „Aggressor“ einen direkten Krieg gegen die NATO aufzwingen soll. Es zeigt sich aber, dass der Dilettantenstadel in allen westlichen Regierungen den Fachleuten in Moskau nicht das Wasser reichen kann. Wieder reagiert der Kreml sehr bedacht. Er droht Litauen Sanktionen an. Mehr nicht.
Allerdings wird auch hierbei sichtbar, wie inkohärent der Westen agiert. So hat Litauen schon vor Wochen großspurig verkündet, kein Gas mehr aus Russland zu importieren. Jetzt aber kommt raus, dass Vilnius nach wie vor am russischen Stromverbund hängt. Russland hat nämlich angekündigt, diese Verbindung zu kappen und in Vilnius steigt die Angst vor dunklen Nächten. Da zeigt sich wieder, was geschehen kann, wenn nur in blindem Russlandhass gehandelt wird, ohne über reale Konsequenzen nachzudenken. Das gilt für den gesamten Westen, der gerade lernen muss, dass er mit seinen irrsinnigen Sanktionen gegen Russland die eigene Wirtschaft an die Wand fährt.
Der Wirtschaftskrieg läuft schon seit vielen Jahren
Litauen wollte wohl die Funktion Polens einnehmen und den offenen Dritten Weltkrieg einleiten. Russland hat sich dazu unmissverständlich geäußert. Sollte es tatsächlich zu einem offenen Krieg kommen – der Wirtschaftskrieg läuft ja schon seit vielen Jahren – wird Russland innerhalb weniger Minuten ganz Europa „deindustrialisieren“. Man werde in diesem Fall umgehend sämtliche Energieversorgungszentren zerstören und es ist bekannt, in welchem Zustand sich Europa ohne Stromversorgung befinden wird. Nicht ganz die Steinzeit, sondern eher schlimmer. Und es wurden auch schon Töne gehört, dass London als erstes atomisiert würde. Ja, in Moskau weiß man, wo das Böse seine Heimat hat.
Eines sollte den Hasardeuren in Brüssel klar sein: Es ist nicht zu erwarten, dass die USA einen Atomangriff auf Russland starten werden, wenn europäische Machtzentren verglühen. In Washington wird man sich hüten, die Zerstörung der eigenen Hauptstadt zu riskieren, für ein Europa, ein Deutschland, dass sowieso ein lästiger Wettbewerber ist. So wird klar, warum die halsgefährliche Provokation Litauens nicht weiter thematisiert wird und Brüssel unauffällig zurückrudert. Man weiß, dass der Ukraine-Krieg schon zu Gunsten Russlands gelaufen ist und Russland nur noch maximal möglicher Schaden in diesem Stellvertreterkrieg zugefügt werden soll und kann.
Allerdings rechnet zur Zeit noch niemand ein, welchen Schaden, welchen Imageverlust die NATO nach dem Sieg Russlands in der Ukraine erleiden wird. Man wird sich eingestehen müssen, dass kein Land NATOstans irgendeinen Einfluss darauf nehmen wird, wie die neuen Grenzen in der Region aussehen werden. Einzig Polen scharrt schon mit den Hufen, sich den Westteil der Ukraine einzuverleiben. Aber das wird sicher nicht „Annexion“ genannt werden, denn Polen gehört ja zu den Guten. So kann man nur hoffen, dass auch in Litauen Einsicht einkehrt und man Abstand von Provokationen nehmen wird, wenn dort wegen Strommangels die Lichter ausgehen. Aber immerhin hat man dann ja eine sanktionskonforme Transitstrecke. Das wird den Litauern ein gutes Gefühl geben, in langen, kalten und dunklen Nächten.
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