Von Aischa Schluter

Wie mich dieses Rumgeopfere annervt: Oh, die böse, böse Gesellschaft! Ein nicht greifbarer, übermächtiger Feind, dem ich ausgeliefert bin! Warum tut denn niemand was?
Sebastian Wessels hat auf dem Portal “Der Sandwirt” unter dem emblematischen Titel “Woke, jung, depressiv” einen lesenswerten Beitrag verfasst, aus dem ich wichtige Passagen nachfolgend zitieren möchte: “Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht es darum, einen kritischen Blick auf die eigenen Denkmuster zu werfen. Depressive neigen zu sogenannten kognitiven Verzerrungen, im Wesentlichen verschiedene Formen von Schwarzmalerei, die die eigene Lage düsterer und aussichtsloser erscheinen lassen, als eine nüchterne Interpretation der Situation hergibt. Dazu gehören etwa Katastrophisieren, Schwarzweißdenken, Hellseherei oder emotionales Schlussfolgern. Diese Verzerrungen sind Ausdruck depressiver Tendenzen, können aber auch gelernt werden und depressive Zustände verursachen.

Und weiter schreibt Wessels: “Wenn man sich klarmacht, wie Wokeness die Welt interpretiert, erscheint es unausweichlich, dass sie zu Depressionen und Ängsten führt. Sie präsentiert die Gesellschaft als unmenschliches, übermächtiges Unterdrückungssystem, dem die Einzelnen in ihrem ganzen Sein unterworfen sind. Ein menschenwürdiges Leben ist demnach erst in der Utopie möglich, jenem nicht näher beschreibbaren Zustand, der auf die Überwindung des weiß-suprematistischen kapitalistischen Patriarchats folgt.
In einer Psychotherapie geht es darum, Leiden und Probleme klar begrifflich zu fassen und in Teilprobleme aufzugliedern, die man durch praktische Schritte systematisch angehen kann.

“Viele Achsen der Unterdrückung”

Und er fährt fort: “In der Wokeness werden im Gegenteil alle Leiden und Probleme begrifflich so gefasst, dass sie möglichst groß und verwickelt und schlechterdings unlösbar erscheinen. Sie sind alle Niederschlag des Wirkens der großen Unterdrückungssysteme, ein Wirken, das so allgegenwärtig und heimtückisch ist, dass man es immer noch gar nicht voll überblickt, selbst wenn man sich täglich damit beschäftigt. Gemäß Intersektionalitätstheorie gibt es viele Achsen der Unterdrückung – Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung und so weiter. Das heißt, dass praktisch jeder auf vielfältige Weise Opfer und auf vielfältige Weise privilegierter Unterdrücker und Täter ist. Und dies sind die entscheidenden Merkmale der individuellen Identität, auf die es sich zu konzentrieren gilt. Wenn jemand behauptet, nicht von diesen Täter- und Opferrollen determiniert zu sein, wird das von Wokemon als falsches Bewusstsein, Ausdruck von Privilegienblindheit etc. abgeschmettert. Die Täter- und Opferrollen müssen jederzeit vergegenwärtigt werden. Ein guter Ansatz, wenn man unglücklich und irre werden möchte.

Bester Mann, kann ich dazu neudeutsch nur sagen! Ich möchte jedem dringend anempfehlen, Wessels kompletten Text zu lesen, denn er geht darin auch noch auf die philosophischen Grundlagen bei Marcuse ein und die Verbindungen zum historischen Marxismus. Die Gedankenführung schlichtweg genial. Lest es!

Quelle: https://ansage.org/woke-macht-krank/