Totalitarismus gegen korsische Sprachminderheit

In einem der wichtigsten EU-Länder, in Frankreich (zudem noch EG- von Gründungsmitglied, 1950 / 52) baut sich erneut ein minderheiten-feindlicher, neo-kolonisatorischer Konflikt an – zwischen Frankreich und der Mittelmeerinsel Korsika, auf der bisher das Korsische als Amtssprache gültig war.

Der Mainstreampresse versucht den Konflikt zu verniedlichen:

„Ärger um Verbot der korsischen Sprache“ (ORF)

Denn in Wirklichkeit zeigt sich daran das totalitaristische Gesicht der EU, die auf ihrem Hoheitsgebiet sprachliche und kulturelle Minderheiten unterdrückt und notfalls sogar ins Gefängnis steckt – wie es etwa Spanien mit den Basken getan hat. (Guardian)

Korsische Autonomiebefürworter laufen nun gegen ein Urteil zum Verbot der korsischen Sprache bei Debatten im Regionalparlament Sturm. Das Urteil entschied nämlich: Dass der Usus der korsischen Regionalversammlung, die korsische Sprache für Debatten zuzulassen, verfassungswidrig und daher verboten sei. Darüber hinaus werden bisher gültige lokale Regeln, die effektiv „die Existenz eines korsischen Volkes“ festlegten, als eine Verletzung der Verfassung betrachte.

Korsische Autonomisten Läufen Sturm

Der Präsident des Exekutivrats von Korsika, Gilles Simeoni, und die Präsidentin des Regionalparlaments, Marie-Antoinette Maupertuis, ließen gestern unmittelbar verlautbaren:

„Diese Entscheidung läuft darauf hinaus, den korsischen Abgeordneten das Recht zu nehmen, während der Debatten ihre Sprache zu sprechen.“

Französischer Sprach- und Kultur-Totalitarismus

Und in der Tat erinnert das neue totalitaristische Sprachverbot an das 19. Jahrhundert: Damals nämlich wurde auf der französischen Mittelmeerinsel mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1882 Französisch als einzige Unterrichtssprache durchgesetzt.

Für o.g. korsische Politiker jedenfalls ist dieses neue gesetzt jedenfalls „undenkbar“. Und sie sind bereit dafür zu kämpfen, dass für die korsische Sprache neben dem Französischen ein offizieller Status erhalten bleibt, damit sie „überleben und sich entwickeln“ könne.

Nun aber soll allein das Französische als einzige Sprache bei der Ausübung öffentlicher Ämter erlaubt sein. Das Urteil folgt einer Klage des Präfekten von Korsika, dem höchsten Vertreter der Zentralregierung auf der Insel.

Das totalitaristische Janus-Gesicht der EU

Der Konflikt beleuchtet nun aber einen gerade für die EU sowohl äußerst unangenehmen wie beschämenden und verdrängten kolonisatorischen Konflikt: Dass nämlich wichtige EU-Staaten, wie Frankreich oder Spanien, sprachliche und kulturelle Minderheiten unterdrücken und durch Marginalisierung auszulöschen versuchen.

Die Auslöschung des Okzitanischen

Insgesamt umfasst der Bevölkerungsanteil der französischen Sprachminderheiten 8,133 Millionen. Exemplarisch zeigt sich daran aber auch, dass Frankreichs Zusammenwachsen zum Nationalstaat seit dem Mittelalter nicht ohne Ausrottung der südfranzösischen Okzitanier möglich gewesen wäre. Gemeint ist jenes südliche Drittel Frankreichs (mit den Kernlandschaften der Provence, Auvergne, Gascone und dem Languedoc). Heut leben in Okzitanien ca. 12 Millionen Menschen, wobei schätzungsweise ein bis drei Millionen die alte Sprache beherrschen. Erst mit der Vernichtung des mittelalterlichen Sekten-Ordens der Katharer sowie der Auswanderung der Waldenser im 18. Jh. verschwand diese Kultur. Indem auch später durch die Zentralisierungspolitik des absolutistischen Königs Ludwigs XIV das Okzitanische aus der Verwaltung verdrängt wurde; später setzten die staatlichen Schulen im 19./20. Jahrhundert diesen Trend fort.

Nichtsdestotrotz hat sich aber okzitanische Kultur und Sprache gehalten: etwa in einigen Schulen, oder in einigen Gebieten, wo Straßenschilder zum Teil noch zweisprachig sind, oder einige Lokalradios auf Okzitanisch senden.

Widerstand auf Korsika mit internationalem Zündstoff

Insofern aber bricht nun mit dem minderheitenfeindlichen Sprach-Gesetz gegen das Korsische ein alte totalitaristische Kulturwunde in Frankreich neu auf:

Denn unmittelbar nach Verkündigung des Gesetzes bezeichnete die korsische Unabhängigkeitspartei „Core in Fronte“ das Urteil, auf Twitter und auf Korsisch, als „beschämend“. Der Führer der Partei der korsischen Nation, Jean-Christophe Angelini, sprach von einer „Beleidigung“ und „Ungerechtigkeit“ und „Schande“.

Somit aber birgt der Konflikt internationalen Zündstoff: Denn die korsische Sprache, die mit dem Toskanischen eng verwandt ist, umfasst noch etwa 150.000 Muttersprachler. Und: Die UNO-Kulturorganisation UNESCO stufte Korsisch als gefährdet e Sprache ein.

Nun aber soll mit dem anti-korsischen Sprachgesetz die letzte sprachliche Autonomie am Korsika eliminiert werden. Obwohl in Wirklichkeit die französische Kultur- und Sprachpolitik nie eine Ausnahme vom gesamt-französischen „Staatsvolk“ zugelassen hatte.

Besonders beschämend für die ansonsten so auf Diversität und Toleranz bedachte EU: Frankreich hat (neben der Türkei und Griechenland) etwa das „Rahmenabkommen des Europarats von 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten“ weder in Kraft gesetzt noch überhaupt ratifiziert.

Der sprachlich-kulturelle Totalitarismus Frankreichs erfuhr dann im Jahre 1539 durch das Edikt von Villers-Cotterêts durch König Franz I einen neuen Höhepunkt: Als das Französische galt von nun an nur mehr der Dialekt der Île-de-France. Endgültig besiegelt wurde dieser Sprach-Totalitarismus ausgerechnet und nicht zufällig am Anfang der Französischen Revolution, 1790, mit der endgültigen Festlegung des Französischen zur einzigen „Sprache der Republik, der Freiheit und der Vernunft“, einhergehend mit der Marginalisierung und die regionalen Sprachen zu Dialekten.

Steht Korsika vor einem neuen militanten Widerstand?

Das anti-korsische Sprachgesetz zitiert nämlich die französische Verfassung, dass nur mehr Französisch in der Ausübung öffentlicher Ämter auf Korsika erlaubt ist. Was einen Rückschritt für die sprachlich-kulturelle Diversität bedeutet:

Denn seit den 1970/80ern und den Dezentralisierungs-gesetzen von 1982 waren französische Regionalsprachen (etwa im Schulunterricht) wieder erlaubt. Diese Minderheitenrechte wurden aber erst durch teils militante Autonomie- und Unabhängigkeitsbewegungen erkämpft: Gerade auf Korsika, wo die „FLNC“ mehrere Terroranschläge verübt hatte (1976 – 2014). Seit 1989 hatte nämlich das Korsische den Status einer dem Französischen gleichberechtigten Verwaltungssprache. Mit dem neuen minderheitenfeindlichen Sprachgesetz soll offensichtlich nun aber die „Gefahr“ einer offiziellen Zweisprachigkeit ausgemerzt werden.

Denn im Dezember 2015 hielt der neu gewählte Präsident des korsischen Regionalparlaments, Jean-Guy Talamoni, anlässlich der Parlamentseröffnung seine Rede auf Korsisch hielt. Und bei  den Regionalwahlen hatten die korsischen Autonomisten („Femu a Corsica“ und „Corsica libera“), mit 16 bzw. 8 Sitzen die Mehrheit der 41 Sitze im Regionalparlament die Mehrheit übernommen. Viele französische Politiker verurteilten damals sowohl den Inhalt der Rede als auch die Tatsache, dass sie auf Korsisch gehalten wurde.

Macron gegen korsische Regionalregierung

Wie sehr der Konflikt eskalieren könnte, zeigt sich auch daran: Das Urteil folgt nämlich einer Klage des Präfekten von Korsika, dem höchsten Vertreter der Zentralregierung auf der Insel. Während die französische Regierung von Emmanuel Macron mit lokalen Politikern über mehr Autonomierechte verhandelte. Macron jedenfalls scheint die Brisanz der Lage verstanden zu haben: Denn radikale Autonomiebefürworter wollen nach wie vor die völlige Unabhängigkeit Korsikas. Macron sagte diesbezüglich letzten Monat, er habe „keine Tabus“ über die Reform des Status von Korsika. Aber er bestand darauf, dass Korsika Teil Frankreichs bleiben müsse.

Außerdem ist brisant: Neue Verhandlungen zwischen Pariser und korsischen Führern scheinen durch die bedingte Freilassung von zwei ehemaligen Autonomieradikalen blockiert worden zu sein. Jene nämlich wurden wegen der Beteiligung an der Ermordung des Inselpräfekten Claude Érignac im Jahr 1998, dem ranghöchsten französischen Beamten, der jemals ermordet wurde, verurteilt.

Quelle: https://unser-mitteleuropa.com/totalitaristisches-franzoesisches-sprachgesetz-gegen-korsika-droht-neuer-korsischer-terrorismus-eine-analyse/