Da das Interview von Roman Protasewitsch im Westen Schlagzeilen macht und als „erzwungen“ bezeichnet wird, habe ich das gesamte Interview in drei Teilen übersetzen. Hier ist Teil 3.

Die Übersetzung des Interviews ist schwierig, weil es kein Transkript gibt. Aber auf YouTube wurde es in Fragen aufgeteilt. Ich werde alle Fragen übersetzen und die Antworten von Protasewitsch mal wörtlich zitieren, mal zusammenfassen. Dabei werde ich immer die Zeitstempel der Frage beifügen, sodass jeder sich das anschauen kann und zum Beispiel Mimik und Körpersprache sehen und für sich entscheiden kann, ob Protasewitsch gezwungen oder natürlich wirkt. Die Übersetzung des ersten Teils finden Sie hier; des zweiten Teils hier

Das Thema der Finanzierung von Nexta war auch weiterhin Thema. Protasewitsch wies darauf hin, dass Nexta ab Herbst 2020 praktisch keine Werbung mehr geschaltet hat. Früher wurden die Einnahmen gebraucht, um Technik für die wachsende Redaktion zu kaufen und Gehälter zu bezahlen. Nun sei die Redaktion noch größer, aber es gibt keine Reklame mehr. Protasewitsch stellt daher fest, dass Nexta ganz offensichtlich von irgendwem finanziert wird. Wenn man bedenkt, dass es in den vorherhigen Fragen um die Rolle der westlichen Geheimdienste bei der Finanzierung der Opposition ging, ist klar, worauf Protasewitsch anspielt.

Der Journalist geht dann ausführlich darauf ein, wie perfekt die Proteste orchestriert waren, wie immer genau zum psychologisch richtigen Zeitpunkt die nötigen Posts bei Nexta veröffentlicht wurden und wie die Massen damit gelenkt wurden. Er meint, dass die wenigen jungen Leute bei Nexta für eine so generalstabsmäßige Planung weder die nötige Ausbildung noch die nötige Erfahrung hatten und fragt:

1:04:30 Könnte Putilo Anweisungen empfangen haben?

Protasewitsch sagt, dass das sein könnte. Der Moderator macht weiter und zählt auf: Putilo hatte die Macht über das Geld, bestimmte darüber und hatte Personenschutz. Das „Weißrussische Haus“ bekam eine Villa mit geheimen Zimmern und auch einen Sicherheitsdienst. Protasewitsch durfte da nicht einmal mehr rein, er bekam kaum Geld und keinen Personenschutz. Da dränge sich die Frage geradezu auf:

1:05:13 Wer profitiert von der Unterstützung der Proteste in Weißrussland?

Protasewitsch: „Polen und Litauen profitieren davon, die Proteste und die Opposition und die geflohenen Politiker zu unterstützen, weil das – wir sehen es am Beispiel Litauen – ihnen ermöglicht, laute politische Forderungen zu stellen, die vom kollektiven Westen unterstützt werden.“

1:05:40 Wer hat auf Putilo aufgepasst?

Protasewitsch: „Zuerst dachte ich, das wäre die Polizei. Aber später hatte er eine konspirative Wohnung. Zuerst haben wir uns immer zu viert getroffen, das war dann vorbei. Ich weiß nicht, wo er wohnt, ich habe nicht einmal seine neue Telefonnummer.“

1:06:26 Wettbewerb zwischen Polen und Litauen.

Der Journalist resümiert nun, dass es zwei Zentren der Opposition gibt, eines in Vilnius, eines in Warschau, die von verschiedenen Quellen finanziert und gelenkt werden. Daher fragt er, ob die Mitarbeiter unter sich manchmal über die zwangsläufige Konkurrenz zwischen den beiden Stäben und ihren unterschiedlichen Unterstützern gesprochen haben.

Protasewitsch stellt dazu fest, dass Latuschko zwar von Polen unterstützt wird, aber keine weitere Unterstützung hat, nicht einmal in der Opposition oder bei den weißrussischen Menschen, die gegen Lukaschenko sind. Außerdem unterstützen alle Telegrammkanäle Tichanovskaja, auch wenn sie in Warschau sitzen. Protasewitsch hat noch für einen anderen Kanal gearbeitet, nachdem er Nexta verlassen hatte, und er sagt, da durfte nicht einmal die leiseste Kritik an Tichanovskaja veröffentlicht werden:

Ich wollte Diskussionsforen schaffen, damit die Menschen ihre Meinung sagen können. Aber da kam sofort Viačorka und sagte, es dürfe auf den Telegrafenkanälen nicht die geringste Kritik an Tichanovskaja geben.“

1:07:56 Warum haben Sie Nexta verlassen?

Protasewitsch erzählt hier wieder von seinem Konflikt mit Putilo, der die Lorbeeren für die Arbeit anderer eingestrichen habe. Auch den Sacharow-Preis, so Protasewitsch, haben sie für die Arbeit bekommen, die Protasewitsch gemacht hat. Protasewitsch gibt zu, dass es durchaus um sein eigenes Ego ging, aber Putilo sei innerhalb eines Monats, als er im Westen zum Helden erhoben wurde, so abgehoben, dass er „sich beleidigende Witze in meine Richtung erlaubt hat, während er all den Ruhm für die Arbeit bekommen hat, die die Redaktion und ich gemacht haben, aber an die Redaktion hat er nirgendwo erinnert. Er hat allen Ruhm für die Arbeit bekommen, an der er nicht einmal mehr mitgewirkt hat.“

Der zweite Grund, warum Protasewitsch Nexta verlassen hat, waren nach seiner Aussage „die undurchsichtigen Finanzen und die undurchsichtigen Verbindungen zum „Weißrussischen Haus“ und zu Zarembyuk und zu all den NGOs.

1:10:05 Haben Sie in Polen unsere Sendungen verfolgt?

Hier haben beide Gesprächspartner gesagt, dass sie natürlich die Sendungen „des Gegners“ verfolgen, denn – wie Protasewitsch es ausdrückte: „Das war nun mal ein Informationskrieg, da muss man die Agenda des Feindes kennen.“

1:11:17 Haben Sie den Film „Kill the President“ gesehen?

Ich weiß nicht, was das für ein Film ist und auch Protasewitsch sagte, er habe ihn nicht gesehen.

Danach ging es um eine veröffentlichte Zoom-Konferenz der Putschisten, bei der ein Gesprächspartner ein ominöser schwarzer Bildschirm war. Das war anscheinend auch ein Element in dem Film. Als der Journalist das anspricht, lacht Protasewitsch und gibt zu, das er das war. Der Grund war, so sagt er, dass er das Verbindungsglied zwischen Tichanovskaja und den Putschisten sein sollte.

Eine der Schlüsselfiguren bei dem vereitelten Putschversuch war Dmitri Schigelski, mit dem Protasewitsch, so sagt er, in engen Kontakt stand und mit dem er sich gut verstanden habe.

1:13:29 Was war Schigelskis Interesse an Ihnen?

Protasewitsch erzählt, sie hätten sich gut verstanden, Schigelski habe ihm vertraut und er erzählt einige Beispiele.

1:15:07 Schigelskis Meinung über Tichanovskaja.

Schigelski habe gesagt, sie seien „alle Blümchen“ und sollten aufhören, die Menschen sinnlos durch die Straßen zu schicken, und stattdessen die Macht in Weißrussland mit Gewalt an sich reißen. Für Tichanovskaja hatte er laut Protasewitsch kein gutes Wort übrig.

Da Tichanovskaja aber vom Westen unterstützt wird, konnte er an ihr nicht vorbei. So kam es, dass Schigelski Protasewitsch angedeutet hatte, es könnte demnächst „etwas interessantes“ passieren und weil Protasewitsch nun im Stab von Tichanovskaja war, sollte er für Schigelski als Verbindungsglied zu Tichanowskaja fungieren. Und darum war Protasewitsch bei einer Zoom-Konferenz als schwarzes und anonymes Quadrat dabei.

1:15:53 Wie oft haben Sie mit Schigelski gesprochen?

Protasewitsch sagt, mindestens einmal pro Woche und da er im Stab von Tichanovskaja war, war er es, der ihr unter vier Augen erzählt hat, es könnte einen Putsch geben.

1:16:10 Wie konnten Sie mit ihr unter vier Augen reden, wenn sie bewacht wird?

Protasewitsch erzählt mit vielen Details, er habe um ein Gespräch gebeten und Wachleute seien in der Nähe gewesen, aber sie konnten unter vier Augen reden. Dabei habe er ihr davon erzählt und gefragt, was er den Putschisten ausrichten solle. Sie habe ihn an ihren Berater Dobrovolsky verwiesen und Protasewitsch erzählt mit Details von den Nachrichten, die zwischen Dobrovolsky und Schigelski über ihn gelaufen sind.

1:19:10 Wusste Viačorka von Ihren Gesprächen mit Schigelski und Dobrovolsky?

Protasewitsch sagt nein, was den Journalisten verwundert, denn Viačorka ist der engste Berater von Tichanovskaja. Aber Protasewitsch sagt, Viačorka habe ein „zu lockeres Mundwerk“ und hier sei es um strengste Geheimhaltung gegangen. Danach erzählt er ausführlich von dem, was ihm über die Putschpläne bekannt war und wie er als Bindeglied die Informationen hin und her gegeben habe.

1:22:40 Wer waren Sie beim Bataillon Asow? Warum haben Sie gerade diese Einheit gewählt?

Das Bataillon Asow ist ein Regiment im ukrainischen Bürgerkrieg, dem viele Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Protasewitsch wird vorgeworfen, sich nach dem Maidan dem Bataillon angeschlossen und auf seiner Seite gekämpft zu haben, was er abstreitet.

Das tut er auch dieses Mal. Daraufhin erwähnt der Journalist Fotos von Protasewitsch im Kriegsgebiet, auf denen er in Uniform und schwerbewaffnet mit den Insignien des Bataillons Asow zu sehen ist.

1:24:33 Was haben Sie beim Asow gemacht?

Protasewitsch bestätigt die Echtheit der Fotos, sagt aber, die Fotos wären auf Übungsplätzen gemacht worden.

Der Journalist fragt dann nach einem Interview aus der Zeit, das ein anonymisierter weißrussischer Kämpfer von Asow mit dem Kampfnamen „Kim“ gegeben hat und Protasewitsch bestätigt, dass er das war. Dann wird noch ein Video gezeigt, auf dem Protasewitsch in den Reihen der Asow-Soldaten steht und der Journalist merkt an, dass man als Journalist an der Seite steht, aber nicht in den Reihen der Soldaten. Er unterstellt Protasewitsch, die Unwahrheit zu sagen.

Aber Protasewitsch bleibt dabei, dass er dort nur als Journalist und Fotograf tätig war.

1:27:14 Gehörten Sie zum Stab dieses Bataillons?

Das bestreitet Protasewitsch mit dem Hinweis, dass er als Ausländer gar nicht offiziell zum Stab des Bataillons gehören konnte.

1:27:39 Wurde Ihnen das Maschinengewehr auf dem Foto zugewiesen?

Protasewitsch sagt, er habe das Maschinengewehr dauerhaft als Waffe gehabt.

Nachdem das Gespräch bis hierher locker und fast kollegial war, kippt die Stimmung jetzt. Die Lugansker Rebellen haben seine Auslieferung wegen Kriegsverbrechen gefordert und offenbar hat Protasewitsch die größte Angst davor, an die ukrainischen Rebellen ausgeliefert zu werden.

Er erklärt, dass seine Reise dorthin wohl der größte Fehler seines Lebens war. Er selbst teile die Ideologie derer, die dort kämpfen (es sind waschechte Nazis) nicht, aber viele in seinem Umfeld hätten diese Ideologie geteilt. Dass er dort war, sei das einzige, was er wirklich bereue.

1:29:07 Die Lugansker Generalstaatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren gegen Sie eröffnet. Ihr Kommentar?

Hier beginnt Protasewitsch die Stimme zu versagen als er sagt, die Eröffnung des Verfahrens sei logisch.

1:29:49 Haben Sie Angst vor einem Auslieferungsantrag?

Protasewitsch: „Selbstverständlich. Das einzige, was ich hoffen kann ist, dass Herr Lukaschenko genug politischen Willen und Entscheidungskraft hat, mich nicht auszuliefern.“

1:30:35

Journalist: „Lassen Sie uns dieses für uns beide nicht einfache Gespräch mit einer letzten Frage beenden. Ihre Freundin hat ihrem Anwalt geklagt, dass sie jetzt unter Panikattacken leidet. Sagen Sie mir ehrlich, können Sie sich die Panikattacken der Frauen und Kinder derer vorstellen, die sie ins „Schwarzbuch Weißrusslands“ eingetragen hat?
Können Sie sich die Panikattacken der Leute vorstellen, die dank Ihrer Aufrufe an ungesetzlichen Aktionen teilgenommen haben und die nun ernsthafte Probleme mit dem Gesetz haben? Und zwar begründete, denn als die das getan haben, wussten sie, dass sie gegen das Gesetz verstoßen. Sie haben das getan, weil sie dazu aufgerufen und koordiniert wurden, sie wurden im Grunde mit psychologischen Tricks dazu gebracht.
Sehen Sie Roman, Sie sind jetzt mit Sofia im Urlaub gewesen, haben eine Liebesbeziehung, haben Urlaub und Fotos gemacht.
Uns „Propagandisten“ – wie wir genannt werden – fragt man oft „Schlafen Sie ruhig?“ Und ich sage es ehrlich, es schläft sich nicht gut, denn man möchte nicht schlafen, wenn die Menschen gespalten werden und es nicht klar ist, was aus dem Land wird. Das lässt einen oft nicht schlafen, nicht die Angst, nein
.“

01:32:02 Und Sie? Wie schlafen Sie? Nach all dem?

Protasewitsch: „Wie schlafe ich wohl? Wie ich schon sagte, habe ich in den letzten Monaten… Früher dachte ich irgendwie, das wäre alles weit weg. Aber in den letzten anderthalb Monaten habe ich angefangen, zu verstehen, was passiert, wie viel Schlechtes getan wurde. Ich habe viel darüber nachgedacht und habe sogar geträumt, dass ich in Minsk bin.
Kein Witz, kurz vor meinem Urlaub ist mir durch den Kopf gegangen, dass nicht mehr viel fehlt und ich gehe nach Minsk zurück. Weil…

Er verliert langsam die Fassung und seine Stimme versagt.

1:33:40 Werden Sie bei den Ermittlungen kooperieren?

Protasewitsch: „Ich kooperiere vollständig und offen und gebe ihnen viele einmalige Fakten. Zum Ende des Gesprächs kann nur noch sagen, dass ich über sehr viel nachgedacht habe und ich will nie wieder in die Politik gezogen werden und auch in keine schmutzigen Intrigenspiele.
Ich kann nur hoffen, dass ich alles gutmachen kann und ein ruhiges Leben führen, eine Familie mit Kindern gründen kann und nicht mehr weglaufen muss…

Hier versagt ihm endgültig die Stimme und er beginnt zu weinen. Das Interview wird ausgeblendet.

Dann kam noch ein Nachspann, in dem der Journalist sagte:

Im Grunde habe ich mich heute mit meinem ideologischen Feind getroffen, mit einem Mann, der offiziell in die Terrorliste aufgenommen wurde. Aber das Ende des Interviews war emotional völlig unerwartet. Das wird wahrscheinlich viele nachdenklich machen. Das Interview dauerte über vier Stunden, aber leider können wir nicht alle Namen, Ereignisse Fakten vor dem Ende der Ermittlungen offenlegen.“

Die Übersetzung des ersten Teils finden Sie hier; des zweiten Teil hier

von Anti-Spiegel