Berliner Telegraph

Am 31. August 2021 feiert die Kirgisische Republik den 30. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Am 3. Februar 2022 sind es 30 Jahre seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Kirgisistan und Deutschland. Am 20. Juli traf sich der Chefredakteur des Berliner Telegraph, Aleksandr Boyko, mit dem kirgisischen Botschafter in Deutschland, Erlan Abdyldaev, und befragte ihn über den aktuellen Stand und die Perspektiven der Beziehungen zwischen beiden Ländern im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich.

Erlan Bekeshovich Abdyldaev wurde 1966 in Alma-Ata (Almaty) geboren, machte 1989 seinen Abschluss am MGIMO, spricht Chinesisch und Englisch, arbeitete in der sowjetischen und russischen Botschaft in China, dann in der Präsidialverwaltung und im Außenministerium der Kirgisischen Republik. Von 2001 bis 2005 war er Botschafter der Kirgisischen Republik in der VR China, von 2007-2012 leitete er das Institut für Kriegs- und Friedensberichterstattung in Kirgisistan, von 2012 bis 2018 war er Außenminister der Kirgisischen Republik. Seit dem 13. Juli 2020 ist Erlan Abdyldaev der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter der Kirgisischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland.

BT: Guten Tag, Herr Botschafter. Am 31. August feiern wir den 30. Jahrestag der Unabhängigkeit Kirgisistans. Wir gratulieren Ihnen zu diesem Jubiläum! Sagen Sie mir bitte, wie beurteilen Sie die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Kirgisischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland in diesem Zeitraum?

E.A.: Vielen Dank für Ihre Glückwünsche. Dieses Jahr, am 31. August, wird der 30. Jahrestag der Unabhängigkeit der Kirgisischen Republik gefeiert. Dies ist ein sehr wichtiges Ereignis für unser Land und wir werden es angemessen feiern. In dieser Zeit hat Kirgisistan verschiedene Etappen der Bildung durchlaufen, darunter auch schwierige und bedeutsame Etappen zur Erhaltung und Stärkung der Grundlagen der demokratischen Entwicklung.

Vor fast 30 Jahren, am 3. Februar 1992, wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Kirgisischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Deutschland war das erste EU-Land, das eine diplomatische Vertretung in Bischkek eröffnete. Ich möchte betonen, dass Deutschland für unser Land der wichtigste Partner in Europa ist, was auf die führende Position und Rolle der BRD in der Europäischen Union und auf der Weltbühne zurückzuführen ist.

Die kirgisisch-deutschen Beziehungen stehen auf dem soliden Fundament traditionell starker und freundschaftlicher Partnerschaftsbeziehungen, deren rechtliche Grundlage mehr als 100 bilaterale Verträge und Abkommen sind, die alle Bereiche der Zusammenarbeit abdecken.

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Zwischen unseren Ländern wird ein aktiver politischer Dialog geführt, und es finden regelmäßig gegenseitige Besuche auf höchster Ebene statt. Die interparlamentarischen Beziehungen entwickeln sich stetig. In diesem Zeitraum wurden mehrere hochrangige Besuche in Deutschland durchgeführt. Ein wichtiges Ereignis in den bilateralen Beziehungen ist der offizielle Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kirgisistan im Jahr 2016, der einen wichtigen Impuls zur weiteren Stärkung unserer Zusammenarbeit in allen Bereichen gab.

Die Bereiche Handel sowie Wirtschaft und Investitionen haben für uns hohe Priorität. Kirgisistan ist sehr daran interessiert, Direktinvestitionen, Spitzentechnologie und Innovationen aus der Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung der nationalen Wirtschaft zu gewinnen. Derzeit laufen in Kirgisistan eine Reihe erfolgreicher Investitionsprojekte, darunter ein Joint Venture der deutschen SCHMID-Gruppe zur Produktion von Solarpanels in der Sonderwirtschaftszone Bischkek und das Glaswerk Interglass mit deutschem Kapital. Die SCHMID-Gruppe und eine Reihe weiterer deutscher Unternehmer planen derzeit neue Produktionsprojekte in der Kirgisischen Republik.

Deutschland ist der größte bilaterale EU-Geber Kirgisistans. Projekte, die in Kirgisistan gemeinsam mit der deutschen Seite im Bereich der finanziellen und technischen Zusammenarbeit durchgeführt werden, sind sehr gefragt und leisten einen echten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unseres Landes.

Generell möchte ich mit Genugtuung betonen, dass die kirgisisch-deutsche Zusammenarbeit vielschichtig ist und sich dynamisch entwickelt.

BT: Welche Themen stehen zwischen Kirgisistan und Deutschland auf der Tagesordnung?

E.A.: Wir haben eine sehr breite bilaterale Agenda. Zur Feier des 30-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen Kirgisistan und Deutschland im Jahr 2022 planen wir zusammen mit der deutschen Seite eine Reihe von gegenseitigen Besuchen und gemeinsamen Aktivitäten, um den aktuellen Stand zu bewerten, Möglichkeiten zu identifizieren und das Potenzial für eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Handel und Wirtschaft, Investitionen, Finanzen und Technik, Kultur, humanitäre Hilfe und anderen Bereichen zu realisieren.

Kurzfristig haben wir die Aufgabe, ein kirgisisch-deutsches Wirtschaftsforum, regelmäßige zwischenstaatliche Verhandlungen über finanzielle und technische Zusammenarbeit, eine Sitzung der zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Angelegenheiten in Kirgisistan sowie politische Konsultationen zwischen den Außenministerien beider Länder durchzuführen, die auf die Analyse und Erweiterung der Horizonte der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit zwischen Kirgisistan und Deutschland abzielen.

Wir arbeiten gemeinsam daran, die Investitionskooperation und die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren Ländern zu verstärken, die ein erhebliches Potenzial haben. Zu den Schwerpunkten unserer Zusammenarbeit gehört die gemeinsame effektive Umsetzung der deutschen Green Central Asia Initiative, die zur Entwicklung einer grünen Wirtschaft und Sicherheit angesichts des globalen Klimawandels in unserer Region beitragen soll.

Auch der kulturelle und humanitäre Bereich ist ein vielversprechendes Betätigungsfeld. Jedes Jahr kommen mehr und mehr junge Menschen aus Kirgisistan nach Deutschland, um hier zu studieren, Praktika zu absolvieren und sich beruflich weiterzuentwickeln.

Natürlich ist auch die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern eine dringende Aufgabe im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie.

Ich bin zuversichtlich, dass sich die Zusammenarbeit mit Deutschland zum Nutzen und im Interesse unserer beiden Länder weiter ausweiten und festigen wird.

BT: Gibt es Pläne für kirgisische Regierungsvertreter, Deutschland zu besuchen?

E.A.: Wegen der Pandemie ab 2020 werden viele Veranstaltungen online durchgeführt. Wenn sich die epidemiologische Situation stabilisiert, erwarten wir, dass wir unsere Zusammenarbeit intensivieren werden. Dies gilt für alle Bereiche. Wir planen, einige der oben genannten Veranstaltungen in Deutschland durchzuführen, bei denen offizielle Vertreter und Delegationen der Kirgisischen Republik auf verschiedenen Ebenen die BRD besuchen werden.

BT: Können Sie uns etwas über die Auswirkungen der Pandemie auf die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren Ländern sagen?

E.A.: Es ist kein Geheimnis, dass die Auswirkungen der Pandemie die Welt stark verändert haben. Das genaue Ausmaß der wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Auswirkungen bleibt abzuwarten. Die derzeitige, beispiellose globale Krise hat gezeigt, wie verwundbar und fragil die globale Handels- und Transportlogistikverflechtung ist. Zugleich hat die Digitalisierung auf allen Ebenen zugenommen. Wir haben gelernt, auf neue Weise zu leben, auf neue Weise zu arbeiten, auf neue Weise zwischen Menschen zu kommunizieren.

Wir legen besonderen Wert auf den Ausbau und die Stärkung der Handels- und Wirtschaftskooperation. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Kirgisistans in Europa. Der Handelsumsatz zwischen unseren Ländern betrug in den Jahren 2018-2019 etwa 80 Mio. USD, während der Handelsumsatz bis Ende 2020 auf 65 Mio. USD sank. Gleichzeitig ist anzumerken, dass in diesem Dreijahres-Zeitraum ein kleiner, aber stetiger Anstieg der kirgisischen Exporte in die Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen ist. Dies betrifft vor allem ökologische Agrarprodukte aus unserem Land.

Das Programm des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Ausbildung von Wirtschaftsführern ist von nicht geringer Bedeutung für die Entwicklung der Interaktion zwischen Unternehmern beider Länder. Die Einzigartigkeit dieses Programms liegt darin, dass kirgisische Unternehmer die Möglichkeit erhalten, die deutsche Sprache zu erlernen und direkte Kontakte zu ihren deutschen Kollegen zu knüpfen. Dieses Programm wird seit 2007 durchgeführt und bis heute haben mehr als 300 Vertreter der kirgisischen Wirtschaft die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Wir sind sehr daran interessiert, die Zusammenarbeit in diesem Bereich auszubauen.

Wir streben eine Intensivierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen an und arbeiten mit den deutschen Partnern an einer Reihe von Veranstaltungen, u.a. dem kirgisisch-deutschen Wirtschaftsforum.

Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den EU-Ländern zu intensivieren, plant unser Land, im November 2021 das erste Wirtschaftsforum Europäische Union-Zentralasien in Kirgisistan abzuhalten, zu dem auch Vertreter der Regierung und der Wirtschaftskreise Deutschlands eingeladen wurden.

BT: Welche Privilegien erwarten deutsche Geschäftsleute, die in Kirgisistans Wirtschaft investieren wollen? 

E.A.: Wie Sie wissen, spielen Investitionen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des wirtschaftlichen Wohlergehens eines jeden Staates und seiner Bevölkerung. Derzeit befinden wir uns in einem aktiven Dialog mit Vertretern der deutschen Wirtschaft. Am 29. April 2021 traf sich der kirgisische Präsident Sadyr Japarov online mit führenden deutschen Unternehmen. Das Staatsoberhaupt sprach über vielversprechende Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Kirgisistan und Deutschland, wie Digitalisierung, Energie, Bergbau und Leichtindustrie, Landwirtschaft, Tourismus und verarbeitende Industrie. Präsident Sadyr Japarov lud auch deutsche Unternehmen ein, in der Kirgisischen Republik tätig zu werden. Institutionelle Mechanismen zur Intensivierung der Zusammenarbeit werden derzeit ausgearbeitet.

Darüber hinaus wurde aufgrund der besonderen Aufmerksamkeit, die dem Thema der Anwerbung von Investitionen gewidmet wird, innerhalb der Struktur des Kabinetts der Kirgisischen Republik ein neues Ministerium für Investitionen (https://invest.gov.kg/) eingerichtet, welches das führende Ministerium in diesem Bereich ist.

Hervorzuheben ist auch, dass es positive Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen Kirgisistan und Deutschland im Bereich der Digitalisierung gibt. In Kirgisistan wurde ein eigenes Ministerium für digitale Entwicklung eingerichtet, und es besteht nun ein gegenseitiges Interesse der relevanten staatlichen Unternehmen beider Länder, die Zusammenarbeit auszubauen.

Was die Privilegien für Investoren betrifft, so ist anzumerken, dass Kirgisistan jeden Investor mit Sorgfalt behandelt, der bereit ist, die Bestimmungen der kirgisischen Gesetzgebung getreu einzuhalten. Alle Wirtschaftszweige unseres Landes sind für deutsche Investoren offen. Nach der kirgisischen Gesetzgebung haben wir einen der niedrigsten Steuersätze in der Region.

Laut dem Jahresbericht Doing Business 2020 der Weltbankgruppe gehört Kirgisistan zu den 20 reformfreudigsten Ländern im weltweiten Ranking. Kirgisistan befindet sich in einem Reformprozess, der die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit deutlich verbessert.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass Kirgisistan Mitglied der Welthandelsorganisation und der Eurasischen Wirtschaftsunion ist, was Warentransaktionen unter privilegierten Bedingungen ermöglicht.

Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass kirgisische Produkte auf den Markt der Europäischen Union gelangen, ist anzumerken, dass die EU-Kommission seit 2016 einen Erlass herausgegeben hat, der der Kirgisischen Republik den Status eines Nutzers des APS+-Systems gewährt. Wie Sie wissen, ist der Hauptzweck des APS+-Systems die Förderung des Exports von Waren in die EU, die Stärkung der Integration in das internationale Handelssystem und die Erhöhung der Investitionsattraktivität des Landes. Im Allgemeinen bietet dieses System Zollvergünstigungen für 6.200 Warenpositionen Kirgisistans.

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BT: Wie sind die Aussichten für die Entwicklung der kirgisisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen?

E.A.: Wie Sie wissen, sind die kleinen und mittleren Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Neben dem Dialog mit deutschen Wirtschaftsvereinigungen, Verbänden und Gremien arbeitet die kirgisische Seite mit deutschen Unternehmen zusammen, die für die Kirgisische Republik von Interesse sind. Dies sind insbesondere führende deutsche Unternehmen aus den Bereichen digitale Entwicklung, Bergbau, Landwirtschaft, Baustoffe, erneuerbare Energien und andere.

Eine aktive Teilnahme kirgisischer Unternehmen an den in Deutschland stattfindenden internationalen Messen wie Grüne Woche, BIOFACH, ITB Berlin, Anuga, Bazaar-Berlin und anderen ist für kirgisische Unternehmen von nicht geringer Bedeutung.

Ein vielversprechendes Gebiet für die Zusammenarbeit in diesem Bereich ist der Mechanismus der öffentlich-privaten Partnerschaft. Im Jahr 2019 wurde in Kirgisistan ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das die rechtliche Grundlage für diese Art der Zusammenarbeit bildet.

Darüber hinaus entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Kirgisistan und Deutschland im Bereich des Tourismus erfolgreich. Kirgisistan ist aufgrund seiner geographischen und natürlichen Gegebenheiten und Attraktionen ein beliebtes Ziel für ausländische Touristen. Der geneigte deutsche Tourist wird die unberührte Natur Kirgisistans sehen: schneebedeckte Berggipfel, malerische Wiesen, reißende Gebirgsflüsse und stille Seen, sowie die uralte Geschichte der Seidenstraße, die durch unser Land verlief, kennenlernen.

Ich möchte anmerken, dass eine führende britische Publikation The Guardian im Januar 2021 eine Liste von 12 Ländern vorstellte, die für einen Besuch empfohlen wurden, und die von der Kirgisischen Republik angeführt wurde. Dieses Ranking basiert auf den Meinungen von Lesern und Reisebloggern.

Generell gibt es ein hohes Potenzial für die Entwicklung einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen der Kirgisischen Republik und Deutschland im Bereich Handel und Wirtschaft, die die kirgisische Seite gemeinsam mit dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und unseren anderen deutschen Partnern fördern will.

BT: Gibt es kirgisische Gemeinden in Deutschland und welche Art von Arbeit wird mit Vertretern der kirgisischen Diaspora gemacht?

E.A. : Es gibt eine Reihe von kirgisischen Vereinen in Deutschland, mit denen die Botschaft enge Beziehungen pflegt, darunter die Kirgisisch-Deutsche Kulturgesellschaft in Berlin, das Kirgisisch-Deutsche Forum in Berlin, Kyrgyz Club Germany, eine gemeinnützige Organisation der Kirgisen in Süddeutschland Ordo, der Verein der Landsleute in Hessen BIZ (Bildung, Initiative, Zusammenarbeit) und der Verein der Kirgisen in Hamburg “Kyrgyz Hamburg Uyumu”. Diese öffentliche Organisationen führen kulturelle und soziale Projekte durch, um die deutsche Öffentlichkeit mit Kirgisistan bekannt zu machen. Die Botschaft steht auch in ständigem Kontakt mit einzelnen Aktivisten unter den in Deutschland lebenden kirgisischen Bürgern.

Viele kirgisische Staatsbürger, die lange Zeit in Deutschland gelebt haben, haben die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und pflegen enge Beziehungen zu Kirgisistan. Während der COVID-19-Pandemie wurden wir Zeuge der unverbrüchlichen Verbundenheit zwischen kirgisischen Staatsbürgern in Deutschland und unserem Land. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Diaspora-Organisationen und Kirgisen in Deutschland bedanken, die dazu beigetragen haben, medizinische Einrichtungen in Kirgisistan gezielt mit medizinischen Geräten und anderen Mitteln, die zur Behandlung von Coronavirus-Patienten notwendig sind, zu unterstützen.

Im Jahr 2018 wurde in Kirgisistan der Rat für die Beziehungen zu Landsleuten im Ausland unter dem Präsidenten der Kirgisischen Republik als effektiver Mechanismus für einen produktiven Dialog zwischen den staatlichen Behörden und unseren Landsleuten, die in anderen Ländern leben, gegründet. Es ist erwähnenswert, dass eines der Ergebnisse der Arbeit dieses Rates die Entscheidung war, im Jahr 2020 für unsere Landsleute im Ausland, die eine andere Staatsbürgerschaft angenommen haben, die sogenannte “Meken-Karte” (Landsleutekarte) einzuführen, die ihre Rechte weitgehend mit den kirgisischen Staatsbürgern gleichstellt.

Daher ergreifen die Führung und die Regierung Kirgisistans Maßnahmen, um die Kapazitäten und Aktivitäten der kirgisischen Diaspora-Organisationen im Ausland zu konsolidieren.

Wichtig ist auch, dass die Botschaft zusammen mit kirgisischen Diaspora-Gesellschaften in Deutschland regelmäßig kulturelle, humanitäre und sportliche Veranstaltungen organisiert. Es ist zu einer Tradition geworden, dass sich kirgisische Bürger anlässlich des Frühlingsfestes Nooruz, des Fußballturniers Ambassador’s Cup in Berlin und anderer Veranstaltungen mit Vertretern der kirgisischen Diaspora in Deutschland und deutschen Freunden treffen.

BT: Welche Rolle spielen die in Kirgisistan lebenden Deutschstämmigen? Worauf liegt der Fokus, um die bilateralen Beziehungen zu unterstützen?

E.A.: Die in Kirgisistan lebenden Deutschen sind ein wichtiges Bindeglied und ein wesentlicher Faktor in den bilateralen Beziehungen. Bereits im XIX. Jahrhundert entstanden erste Ansiedlungen deutscher Mennoniten in Kirgisistan, die zweite Welle der deutschen Ansiedlung im Land folgte nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre kehrten viele der mehr als 100.000 Deutschen aus Kirgisistan nach Deutschland zurück. Heute leben über 8.500 kirgisische Staatsbürger deutscher Herkunft in unserem Land.

Die Deutschen haben in den Anfängen unserer Staatlichkeit einen großen Beitrag zur Entwicklung Kirgisistans geleistet. Mit Stolz können wir den akademischen Turkologen V. Radlov erwähnen, der einer der Begründer der Manas-Studien war, V. Kallaur, der Talas-Denkmäler mit Runenschrift entdeckte, den Historiker V. Bartold, der wesentlich zur Entwicklung der kirgisischen Kunst beitrug und den originellen Bildhauer Y. Wedel. Der Name von Theodor Gertsen, dem Autor der einzigartigen grafischen Illustrationen zum Manas-Epos, ist für immer in der Geschichte der Entwicklung der kirgisischen bildenden Kunst geblieben. Weltberühmt wurde Herzen auch durch die Schaffung eines Kupferstichzyklus zum deutschen Epos “Das Nibelungenlied”. Als ethnischer Deutscher konnte Herzen nicht gleichgültig gegenüber dem deutschen nationalen Erbe sein und sein Appell an die Nibelungensage wurde zum Appell an die historischen Wurzeln seines Volkes. Auch Deutsche besetzten hohe politische Ämter im Land und wurden ins Parlament gewählt. Heute dienen “Kirgisische Deutsche” in Deutschland als eine lebendige “Brücke der Freundschaft” zwischen unseren Ländern.

Seit 1992 arbeitet die Kirgisisch-Deutsche Zwischenstaatliche Kommission für die Angelegenheiten der Deutschen in Kirgisistan erfolgreich. Der Volksrat der Deutschen wurde gegründet und arbeitet erfolgreich in unserem Land. Im August 1998 wurde das Kirgisisch-Deutsche Haus in Bischkek als Symbol der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Ländern eröffnet. Derzeit ist es unsere Aufgabe, die Zusammenarbeit auszubauen, wobei der Schwerpunkt auf der Förderung von gemeinsamen Geschäftsprojekten liegt.

Die Botschaft unterhält auch ständigen Kontakt zu den in Deutschland lebenden Deutschen aus Kirgisistan. Viele von ihnen besuchen Kirgisistan regelmäßig mit ihren Familien zu touristischen Zwecken und tragen auch als Investoren in verschiedenen Bereichen zur Entwicklung Kirgisistans bei.

Um die Zusammenarbeit in der zweiten Hälfte dieses Jahres weiter zu festigen und zu intensivieren, plant die Botschaft gemeinsam mit deutschen Partnern einen Runden Tisch zum Thema “Deutsche aus Kirgisistan: Gestern und heute, Brücken zwischen Kirgisistan und Deutschland” im Museum für Kulturgeschichte der Russlanddeutschen in Detmold.

BT: Können Sie uns mehr über die Entwicklung der Zusammenarbeit im kulturellen und humanitären Bereich zwischen Deutschland und Kirgisistan erzählen?

E.A.: Die kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit ist ein wichtiger und integraler Bestandteil der bilateralen Zusammenarbeit, die auf dem zwischenstaatlichen Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit vom 23. August 1993 beruht.

Es gibt eine erfolgreiche Zusammenarbeit über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), in deren Rahmen Kirgisen Stipendien für Studium und Forschung in Deutschland erhalten und in Sommersprachkursen Deutsch lernen. Jedes Jahr werden 40-60 Stipendien vergeben. Deutsche Lehrer unterrichten an kirgisischen Schulen und Universitäten auf Dauer.

Ein Aushängeschild in diesem Bereich ist die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Universitäten der beiden Länder. In Bischkek sind das Kirgisisch-Deutsche Technische Institut, gegründet in Partnerschaft mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin, und das Kirgisisch-Deutsche Institut für Angewandte Informatik, gegründet in Partnerschaft mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau, seit 2004 erfolgreich tätig. Beide Institute bilden hoch geschätzte junge Menschen in technischen und informationstechnischen Bereichen aus. Erfolgreiche Studenten erhalten Stipendien und die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren.

In Kirgisistan befindet sich auch das Büro der Zentralstelle für schulische Ausbildung im Ausland (ZfA), die im Rahmen der Initiative “Partnerschaftsschulen der Zukunft” (PASCH) mit acht Schulen in mehreren Städten unseres Landes kooperiert, in denen eine weiterführende Deutschausbildung angeboten wird.

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Darüber hinaus unterstützt das Büro des Goethe-Instituts in Almaty die Aktivitäten des Bildungszentrums für deutsche Sprache in Bischkek, das einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und zum Studium der deutschen Sprache und Kultur leistet.

Es gibt ein großes Potenzial für die Stärkung der kirgisisch-deutschen Zusammenarbeit unter kirgisischen Staatsangehörigen, die in Deutschland an höheren und weiterführenden Bildungseinrichtungen studieren. Viele von ihnen bekleiden bereits hohe Posten und arbeiten erfolgreich in Deutschland in den Bereichen Bildung, Medizin, Wirtschaft, Bankwesen und anderen Bereichen.

Ein weiterer äußerst wichtiger Bereich für Kirgisistan ist die Arbeit des Zentralasiatischen Instituts für Angewandte Geowissenschaften (CAIAG) in Bischkek, das von der Regierung der Kirgisischen Republik und dem Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ) gegründet wurde und multidisziplinäre wissenschaftliche und angewandte Forschung zur Risikominderung von Naturkatastrophen, zum Wassermanagement und zur Anpassung an den globalen Wandel in Kirgisistan und in unserer Region insgesamt betreibt.

Positive Beispiele für eine effektive kirgisisch-deutsche Zusammenarbeit sind auch die Aktivitäten und Projekte des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) zum Schutz des Schneeleoparden und der Wildtiere in der Kirgisischen Republik. Mit der gemeinsamen Unterstützung des NABU wurde zweimal ein Global Forum zum Schutz des Schneeleoparden in Kirgisistan durchgeführt. Über den NABU gibt es auch eine Reihe von Aktivitäten zur Förderung der Umweltbildung in unserem Land. Derzeit wird insbesondere durch den NABU am Bau eines neuen Rehabilitationszentrums für den Schneeleoparden und andere Wildtiere sowie eines Öko-Bildungszentrums in unserem Land gearbeitet. Es ist geplant, dass es das größte Rehabilitationszentrum für den Schneeleoparden in der Welt sein wird.

Es ist also anzumerken, dass einer der wichtigsten Bereiche in den kirgisisch-deutschen Beziehungen die “geistigen” Investitionen in unserem Land sind. Wir werden dies weiterhin aktiv fördern.

Darüber hinaus setzt die Botschaft die erfolgreiche Praxis der Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen im kulturellen Bereich fort. Darunter sind auch Abende zum Gedenken an unseren weltberühmten Schriftsteller Tschingis Aitmatow.

Im Jahr 2022 sind im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Kirgisischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland auch eine Reihe von gezielten Aktivitäten im kulturellen und humanitären Bereich geplant.

BT: Wird derzeit die Möglichkeit einer Lockerung der Visaregelung zwischen den beiden Ländern in Betracht gezogen?

E.A.: Deutsche Staatsbürger benötigen kein Visum, um unser Land zu besuchen. Die Kirgisische Republik war einer der ersten GUS-Mitgliedsstaaten, der einseitig die Visafreiheit für bis zu 60 Tage für Bürger der 44 am meisten entwickelten Länder, darunter auch Deutschland, einführte. Kirgisistan wird die Zahl dieser Länder nun auf 52 erhöhen. Dies geschah vor allem, um günstige Bedingungen für die Entwicklung der Tourismusindustrie zu schaffen und das Investitions- und Geschäftsklima zu verbessern.

Wir verhandeln derzeit mit der deutschen Seite, um in einem ersten Schritt ein bilaterales Abkommen über visafreies Reisen für Inhaber von Diplomatenpässen abzuschließen. Die Kirgisische Republik hat solche Erfahrungen mit bestimmten Ländern der Welt. Im europäischen Raum hat die Kirgisische Republik bereits entsprechende bilaterale Abkommen mit Estland, Frankreich, Ungarn, Italien, Polen, Rumänien, Serbien, der Slowakei und der Schweiz abgeschlossen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kirgisische Republik seit dem 1. Mai 2021 neue biometrische Pässe eingeführt hat – den allgemeinen Zivilpass, den Dienstpass und den Diplomatenpass, die den Standards der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) entsprechen. Darüber hinaus hat Kirgisistan ein modernes automatisiertes Online-System zur Entgegennahme und Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung neuer kirgisischer Pässe eingerichtet, an das alle Botschaften und Konsulate der Kirgisischen Republik im Ausland angeschlossen sind.

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