Von ELMAR FORSTER | Der Gesundheitszustand des ehemals mächtig wie machtlosen Führers der UdSSR und Architekts der sogenannten Sowjet-„Perestroika“ („Umgestaltung“) zugleich, Michail Gorbatschow, hat sich in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Er befindet sich bettlägrig in einem Moskauer Krankenhaus.
Nun hat Gorbatschows engster ungarischer Freund, der Fernsehproduzent János Zolcer, in der ungarischen Blikk – nicht nur – darüber erzählt…: „Er befindet sich seit Monaten im Krankenhaus, kann sich nur mehr schwer artikulieren, man muss sehr vorsichtig sein, um ihn am Telefon zu verstehen. Er ist unendlich verzweifelt, er hat Moskau seit zehn Jahren nicht mehr verlassen. Und er hat auch keine guten Beziehungen zu seiner Familie.“

Gorbatschows bleibt Pazifist

Der 91-Jährige habe den Ukraine-Krieg seit seinem Beginn zutiefst verurteilt, den er für einen tragischen Bruderkrieg hält. Gorbatschow teilt seinen familiären Hintergrund (sein Vater war Russe, seine Mutter Ukrainerin) mit Millionen anderer Russen. Das Ex-Staatsoberhaupt der UdSSR betonte, dass menschliches Leben wertvoller sei als alles andere und somit davor bewahrt werden sollte, auf dem Schlachtfeld geopfert zu werden.

War Gorbatschow der Totengräber der UdSSR?

Gorbatschow leide sehr darunter, dass ihn das russische Volk für alles Schlechte nach dem Zerfall der UDSSR verantwortlich macht: Er hätte die Sowjetunion zerschlagen, und Putin möge sie wieder aufbauen. – „Würde die Sowjetunion noch stehen, wären wir heute immer noch eine Großmacht und der Westen würde es nicht wagen, sich mit uns anzulegen“ – so der weitverbreitete Tenor.

Zolcer erwähnt diesbezüglich eine Demütigung, als er sich vor zehn Jahren mit Gorbatschow auf einer Reise befand. Damals weigerte sich eine Kellnerin, ihm, Gorbatschow, eine Tasse Tee zu servieren mit den Worten: „Ich werde es ihm nicht geben“. Diese Diskriminierung würde im Laufe der Zeit selbst den stärksten Menschen schleifen.

So enthüllte Zolcer auch, dass der jetzige russische Präsident, Wladimir Putin, mittlerweile selbst den Telefonkontakt mit Gorbatschow verweigere, obwohl sich beide zuvor mehrmals getroffen hätten.

Gorbatschows zwiespältige welthistorische Agenda bei der Wende

Während der einst charismatische Gorbatschow im Westen als Befreier und größter historischer Reformer angesehen wird, ist er in seiner Heimat Russland der allgemeinen öffentlichen Verachtung ausgesetzt, und wird für den Fall der Sowjetunion, des „Imperiums“, verantwortlich gemacht.

Besonders kontrovers diskutiert wird jene angebliche „Geheimklausel“ aus der Zeit der Wende: Wonach es eine Vereinbarung zwischen Gorbatschow und den Westmächten gegeben hätte, ein Versprechen durch die NATO, nicht weiter nach Osten zu expandieren. Gorbatschow verneint dies zwar.

Allerdings gibt es auch andere Stimmen und Quellen diesbezüglich: „Der Westen brach Zusagen von 1989“ (Gorbatschow 2014, Die Presse) Schon damals, anlässlich der 25-Jahr- Feierlichkeiten zum Fall der Berliner Mauer, warnte der Ex-Politiker: „Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen kalten Krieg. Er hat schon begonnen.“ (ebda) Damals beurteilte Gorbatschow die welthistorischen Entwicklungen freilich noch skeptischer: Denn bereits in den 1990er Jahren hätte der Westen damit begonnen, Russland gegenüber (welches aber erst die Voraussetzung für die friedlichen Revolutionen in Mittel-Osteuropa geschaffen habe) das Vertrauen zu untergraben: „Die Nato-Erweiterung, Jugoslawien und vor allem der Kosovo, Raketenabwehrpläne, Irak, Libyen, Syrien“, nannte Gorbatschow damals als Beispiele. „Und wer leidet am meisten unter der Entwicklung? Es ist Europa, unser gemeinsames Haus.“ (DiePresse, s.o.)

Der Atheist Gorbatschow sehnt sich nach Transzendenz

Gorbatschow heiratete 1953 Raissa, die bis zu seinem Tod 1999 eine Gefährtin des sowjetischen Politikers war /Quelle: Archiv von János ZolcerGorbatschow mit seiner Frau Raissa (von 1953 – 1999 ein Ehepaar)

Vielleicht ist aber das Bemerkenswerteste an diesem Blikk-Artikel, nämlich: das Vulgäre der Politik Übersteigende: Dass sich der einst mächtigste Mann der untergegangenen UdSSR, der innerhalb der Weltgeschichte ein wichtiges Kapitel hinterlassen hat, folgendes…: Jetzt am Ende seiner langen Reise angekommen, sehnt er sich nach nichts mehr als nach Transzendenz in der Wiedervereinigung mit seiner großen weltlich-leiblichen Liebe, mit seiner Frau Raissa, die ihn vor 23 Jahren in die letzte Hoffnung, die uns Menschen aufleuchtet, ins Jenseits, verlassen haben mag.

Denn „das Ende ist immer das Ende“, wie einer der sprachmächtigsten Lyriker und Nihilisten der deutschen Literatur, Gottfried Benn, es einmal ausdrückte. Gorbatschow jedenfalls habe „das Gefühl, dass es nicht mehr gut für ihn ist.“ Und: „Er könne es kaum erwarten Raissa wiederzusehen.“ (siehe Blikk)

1.jpg

Gorbatschow nimmt Abschied von Raissa

„Wir ziehn einen großen Bogen“ (Gottfried Benn)

Mit größter Wahrscheinlichkeit zieht nun also auch der ehemalige Atheist Gorbatschow innerlich einen großen Bogen. Er ist nun dabei, die letzte Frage zu beantworten: „Wie ist nun das Ende – wie?“ – Vielleicht stellt sich aber auch ihm, dem ehemaligen Atheisten, die Einsicht in die Vergänglichkeit allen Irdischen, des Materiellen und der Sphäre der politischen Macht gleichermaßen:

„Wir träumen von Sternenbahnen und fleisch‘gewordner Idee. Wir spielen alle Titanen und weinen wie Niobe. Das Ende, immer das Ende – schon schießt ein anderer vor und nennt sich Wächter und Wende, Hellene – goldenes Tor.

Die Gräber, immer die Gräber – bald werden auch die vergeh’n… Wer altert, hat nichts zu glauben, wer endet, sieht alles leer, sieht keine heiligen Taubenüber dem Toten Meer…

Wir zieh‘n einen großen Bogen, um wen, um was, um wie?“

Farewell, Mr. Gorbatschow ! Wartet „eine große, schöne Hand“ ? (Benn)

Mit größter Wahrscheinlichkeit aber verspürt Herr Gorbatschow auch nun jenen leisen Hauch, der ihn „aus Fernen, aus Reichen“ (Gottfried Benn“) berührt. Ein Hauch, den man  unter dem Einfluss der Todesnähe gewahr wird.

„Was dann nach jener Stunde sein wird, wenn dies geschah, weiß niemand. Keine Kunde
kam je von da, von den erstickten Schlünden, von dem gebroch‘nen Licht. Wird es sich neu entzünden? Ich meine nicht.“

Wahrscheinlich aber überschneiden sich Gorbatschows Gedanken mit denen von Gottfried Benn. – Auch ihn hatte seine Frau 11 Jahre früher verlassen…

„Doch sehe ich ein Zeichen: über das Schattenland aus Fernen, aus Reichen, eine große, schöne Hand. Die wird mich nicht berühren, das lässt der Raum nicht zu: Doch werde ich sie spüren, und das bist du.

Und du wirst niedergleiten am Strand, am Meer, aus Fernen, aus Weiten: »- erlöst auch er«; Ich kannte deine Blicke und in des tiefsten Schoß sammelst du unsere Glücke, den Traum, das Loos.

… Wenn die Nacht wird weichen, wenn der Tag begann, trägst du Zeichen, die niemand deuten kann. Geheime Male von fernen Stunden krank und leerst die Schale, aus der ich vor dir trank.“ (G. Benn)

„Ich glaube, wenn der Tod unsere Augen schließt, werden wir in einem Licht stehen, in welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist.“ (Arthur Schopenhauer)

________________________________________________________________________

Unser Ungarn-Korrespondent Elmar Forster, seit 1992 Auslandsösterreicher in Ungarn, hat ein Buch geschrieben, welches Ungarn gegen die westliche Verleumdungskampagne verteidigt. Der amazon-Bestseller  ist für UM-Leser zum Preis von 17,80.- (inklusive Postzustellung und persönlicher Widmung) beim Autor bestellbar unter <ungarn_buch@yahoo.com>


Bitte unterstützen Sie unseren Kampf für Freiheit und Bürgerrechte.
Für jede Spende (PayPal oder Banküberweisung) ab € 10.- erhalten Sie als Dankeschön auf Wunsch ein Dutzend Aufkleber „CORONA-DIKTATUR? NEIN DANKE“ portofrei und gratis! Details hier.

 

 

 

 

 

Quelle: https://unser-mitteleuropa.com/gorbatschov-am-ende-seines-weges-resignation-todessehnsucht-nach-transzendenz/