Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat aus Anlass seiner kürzlichen Berlin-Visite der „Budapester Zeitung“, einem unserer Kooperationspartner, ein außergewöhnliches, mehr als einstündiges Exklusiv-Interview gegeben.

Im ersten Teil des Interviews ging es um die deutsch-ungarischen Beziehungen.

Im zweiten Teil um Geopolitik und den Ukraine-Krieg.

Im dritten Teil wird es um EU-Gelder und die Bedeutung von Büchern gehen.

Hier das Interview 3. Teil mit dem Chefredakteur der „Budapester Zeitung“ Jan Mainka.

Viktor Orbán im Gespräch mit BZ-Herausgeber Jan Mainka

GEOPOLITIK – UKRAINE-KONFLIKT – UNGARN UND DIE EU

 

Wie kann der Ukraine-Krieg beendet werden?

„Gefahr einer Eskalation“

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass Russland mit Gewalt und unter Missachtung des Völkerrechts den Status Quo in der Ukraine verändern will. Die Ukrainer verteidigen sich dagegen, sie verteidigen ihr Land und dessen Souveränität. Es steht außer Zweifel, dass Europa auch aus moralischen Überlegungen heraus auf der Seite der Ukrainer steht. Schließlich halten wir die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine für wichtig.

Es geht hier aber nicht nur um eine moralische Frage. Es ist auch ein Interesse von Europa, dass es ein Gebiet zwischen Europa und Russland gibt, das beide Interessengebiete voneinander trennt. Aus Sicherheitsaspekten ist das heute notwendig, auch mit Blick darauf, dass Europa keine eigene gemeinsame Armee und Militärkraft geschaffen hat. Hinsichtlich der Ziele gibt es keinen großen Unterschied zwischen den europäischen Ländern. Es ist ein gemeinsames Interesse, dass Russland für den Kontinent keine Gefahr darstellt. Dazu trägt bei, dass es zwischen der Ostgrenze der EU und Russland eine souveräne Ukraine gibt. Diskussionen gibt es heute jedoch diesbezüglich, mit welchen Mitteln man das erreichen kann, jetzt, nachdem Russland den Krieg begonnen hat.

Die heldenhaft kämpfenden Ukrainer können vor allem deswegen gegenüber Russland bestehen, weil sie massiv von Europa unterstützt werden. Allerdings unterstützt Europa die Ukraine jetzt so, dass der Kontinent in eine Eskalationsspirale gedrängt wird. Jeden Tag wird die Gefahr größer, dass sich der Krieg auch auf Länder der EU ausweitet. Es begann mit den Sanktionen, setzte sich fort mit Waffenlieferungen, und jetzt sind wir schon bei der Ausbildung von ukrainischen Soldaten. Das ist eine außerordentlich gefährliche Spirale. In kleinen Schritten kommen wir einer direkten Verwicklung in den Krieg immer näher. Wenn wir diesen Prozess nicht stoppen, dann stehen wir am Ende selbst im Krieg, was wir bisher jedoch nicht wollen. Die NATO ist diesbezüglich übrigens vorsichtiger als die EU. Die NATO hat klar gesagt, dass sie in dem Krieg als Bündnis keinerlei Rolle übernehmen möchte. Deswegen liefert sie auch keine Waffen. Nur NATO-Mitgliedsländer tun das, nicht aber die NATO selbst. Sie hält sich aus dem Konflikt heraus. Im Gegensatz dazu überlässt es die EU nicht den Mitgliedsländern, wie sie im Einzelnen aktiv werden wollen, sondern hat beispielsweise einen gemeinsamen europäischen Geldfonds zur Unterstützung der Ukraine geschaffen und plant jetzt sogar gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen. Die NATO verhält sich also wesentlich vorsichtiger und zurückhaltender als die EU. Das ist überraschend, denn schließlich ist die EU einer wesentlich größeren Gefahr ausgesetzt.

Wie könnte nun der Krieg beendet werden?

„Europa ist Verlierer des Krieges“

Wenn wir den Ukraine-Krieg aus geopolitischer Perspektive betrachten, dann ist es nicht verkehrt, sich die Betrachtungsweise von Klaus von Dohnanyi vor Augen zu halten. Er ist zwar grundsätzlich ein Freund der USA – das ist seinem aktuellen Buch „Nationale Interessen“ klar zu entnehmen –, gleichzeitig sagt er aber auch ganz klar, dass zur Freundschaft auch Aufrichtigkeit gehört. Außerdem weist er nachdrücklich darauf hin, dass die amerikanischen und europäischen Interessen nicht in jedem Fall identisch sind. Es gibt ganz klare Interessenunterschiede. Diese müssen deutlich angesprochen werden. Genau das passiert derzeit aber nicht.

Momentan werden von Seiten der EU die Standpunkte der USA kritiklos eins zu eins übernommen. Amerikanische Interessen werden einfach als europäische ausgegeben. Es wird so getan, als wenn europäische Interessen mit den amerikanischen identisch wären. Derzeit sehe ich von Seiten der EU beziehungsweise der größeren EU-Länder keinerlei Souveränitätsbestreben. Auch nicht von Seiten der EU-Institutionen. Genau deswegen ist Europa heute einer der Verlierer dieses Krieges und gehören die USA zu den Siegern.

Was müsste Europa tun?

Wir sind in einer schweren Lage. Bisher hatte Deutschland bei der Beilegung von Konflikten stets eine besondere Rolle inne. In der Politik zählen aber die an der Macht verbrachten Jahre. Diese sorgen für Ansehen und Gewicht. Bundeskanzler Scholz ist jedoch noch nicht einmal ein Jahr im Amt. Er ist zweifelsohne ein demokratisch legitimierter Regierungschef. Dass er zuvor Finanzminister war, trägt sicher zu seiner Kompetenz bei. Trotzdem ist er noch nicht einmal ein Jahr im Amt.

Es ist ein großes Unglück für Europa, dass Kanzlerin Angela Merkel ausgerechnet zu dem Zeitpunkt ihr Amt abgab, als sich die Lage in der Ukraine wieder zuspitzte. Von Seiten Deutschlands konnte kein anderer, mit den Erfahrungen von 16 Regierungsjahren gestählter Politiker auftreten. Ein weiteres Problem ist, dass es auch in den USA nur einen deutlich schwächeren Regierungschef gibt als bisher. Kriege können zwar auch von schwachen Staatsmännern verursacht werden, um sie zu beenden und einen Friedensprozess einzuleiten, bedarf es aber starker Staatsmänner. Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung früher oder später in die Position hineinwächst, die Deutschland aufgrund seines Gewichtes in Europa eigentlich einnehmen müsste. Weiterhin vertraue ich darauf, dass Trump zurückkehrt und es dann auch in den USA wieder eine stark geführte Regierung gibt. Voller Hoffnung blicke ich übrigens auch auf die israelischen Wahlen. Wenn es auch Benjamin Netanjahu gelänge zurückzukommen, dann hätten wir noch einen starken Staatsmann. Ich halte ihn für einen der angesehensten und erfahrensten Staatsmänner der westlichen Welt.

Wer weiß, ob wir noch die Zeit haben, auf die Ankunft starker westlicher Politiker zu warten!

„Ungarn ist wegen seiner Minderheit direkt am Krieg beteiligt.“

Wir befinden uns in einer gefährlichen Eskalationsspirale. Für uns in Ungarn ist das ein besonders großes Problem, denn unser Land liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kriegsschauplatz Ukraine. Über die ungarische Minderheit in der Ukraine sind wir sogar längst direkt physisch in das Kriegsgeschehen eingebunden. Unsere Nation hat bereits 200 Tote zu beklagen. In der Westukraine leben derzeit noch rund 150.000 bis 200.000 ethnische Ungarn. Aus ihren Reihen werden junge Männer zur Armee einberufen und müssen dann ihr Leben für die Freiheit der Ukraine riskieren. Diese Gefahrenlage, der Ungarn und ethnische Ungarn ausgesetzt sind, müssen Deutschland und die anderen weiter entfernteren EU-Länder verstehen. Der Krieg in unserem Nachbarland ist für uns eine andere Realität als für sie.

Also Ultima Ratio: Warten wir auf starke westliche Politiker! So lange muss das gar nicht dauern.

Anfang November finden in den USA die Zwischenwahlen statt. Diese könnten bei einem guten Ausgang für die Republikaner ein neues Kapitel eröffnen.

Haben Sie, als Sie Anfang August in den USA waren und mit Trump und anderen Republikanern Gespräche führten, entsprechende Hinweise bekommen?

Sicher ist: Wenn der Präsident der USA am 24. Februar noch Donald Trump geheißen hätte, dann hätte es diesen Krieg nicht gegeben.

In Berlin haben Sie sogar gesagt: „Die Hoffnung auf Frieden heißt Trump.“ – Haben Sie diese Überzeugung aus den USA mitgebracht?

Die Amerikaner lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Wenn es um die Macht geht, dann sind sie sehr zurückhaltend in ihren Äußerungen.

So wie die EU sind auch die USA kein monolithisches Gebilde. Auch dort ringen verschiedene Interessengruppen miteinander…

Natürlich gibt es auch dort Interessengruppen, die den Konflikt in einen breiteren Kontext stellen. Sie sind erstaunt darüber, dass die USA jetzt mit aller Gewalt Russland an die Seite ihres großen wirtschaftlichen Konkurrenten China pressen. Die preiswerten Energieträger, die jahrzehntelang Europa versorgt haben, werden nun schrittweise nach Osten, also auch nach China gehen. Insbesondere die EU hat als Konsequenz auf den russischen Angriff Schritte unternommen, die letztlich auf eine massive Förderung der Zusammenarbeit zwischen Russland und China hinauslaufen.

Aus dem Blickwinkel des Westens eigentlich eine geopolitische Dummheit!

„Die EU negiert völlig ihre rationalen und geopolitischen Interessen.“

Ich möchte nicht ins andere Extrem verfallen. Ich bin ein Freund des Ausgleichs. Ich bin kein Anhänger der Anschauung, dass die Außenpolitik ausschließlich auf moralischer, wertebasierter Grundlage erfolgen muss. Auf der anderen Seite finde ich es aber auch nicht gut, wenn moralische Aspekte völlig außer Acht gelassen werden. Es kommt auf das richtige Verhältnis an. Was die EU jetzt macht, negiert völlig ihre rationalen und geopolitischen Interessen. Die Sanktionsentscheidungen wurden ausschließlich auf moralischer und emotionaler Grundlage getroffen. Ich war neugierig darauf, bei meiner Deutschlandreise und in vielen Gesprächen den rationalen Kern der deutschen Energie- und Sanktionspolitik zu finden. In Ungarn besteht ja noch immer das Klischee von den rational handelnden Deutschen, die nicht zuletzt deswegen die besten Ingenieure der Welt hervorgebracht haben. Deutsche Autos, Lokomotiven, Maschinen, Fabriken… All das genießt in Ungarn ein hohes Ansehen.

Wurden Sie fündig?

Nein.

Vielleicht gibt es diesen rationalen Kern ja gar nicht…

Bleiben wir dabei: Ich fand ihn nicht!

Könnten Sie sich vorstellen, dass sich die USA mit einer multipolaren Weltordnung arrangieren könnten?

Ich habe noch keine Macht gesehen, die freiwillig auf ihre führende Rolle verzichtet hätte. Man kann keinen Löwen zu einem Vegetarier erziehen. Wir sollten also nicht darüber nachdenken, ob die USA bereit wären, eine neue globale Machtkonstellation zu akzeptieren. Das ist ihre Sache. Wir sollten stattdessen uns und unsere Möglichkeiten darauf konzentrieren, unsere eigene Position zu stärken! Europa hätte durchaus die Möglichkeit, stärker zu werden. Wir sollten also nicht von den Absichten der USA ableiten, was wir tun sollen.

„Europa braucht eine eigene Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.“

Europa sollte mit Blick auf seine eigenen Interessen die durchaus vorhandenen Möglichkeiten nutzen. Dazu wäre es unabdingbar, dass es eine gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie gibt. Und auch eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Da wir Mitglieder der NATO sind, glauben wir, dass all das nicht notwendig wäre. Die NATO ist wichtig und sollte bewahrt werden. Dem widerspricht aber nicht, dass Europa auch eigene Verteidigungskapazitäten schaffen sollte. Ich denke hier an eine europäische Rüstungsindustrie und eine gemeinsame militärische Ausbildung. Und schließlich sollten wir Schritte hin zur Schaffung einer europäischen Streitmacht unternehmen. Wenn Europa nicht dazu in der Lage ist, sich zu verteidigen, dann ist es immer auf die Hilfe durch die USA angewiesen. Heute ist Europa nicht in der Lage, seine Sicherheit selbst zu garantieren. Wenn wir jedoch die Amerikaner darum bitten müssen, uns zu verteidigen, weil wir uns selber nicht darum kümmern wollen, dann werden die Amerikaner ganz zurecht fragen, was sie dafür bekommen. Und sofort haben wir es nicht mehr mit zwei gleichrangigen Partnern zu tun, sondern akzeptieren unsere untergeordnete Rolle. Deswegen muss Europa im Interesse seiner eigenen Souveränität auf militärischem Gebiet deutlich mehr tun. Die europäischen Länder müssen auch mehr Geld für ihre Rüstung und Verteidigung zur Verfügung stellen. Dann könnte Europa geopolitisch auch den Raum übernehmen, den ein Rückzug der USA freigeben würde.

Gemeinsame Verteidigungspolitik ja, aber Vereinigte Staaten von Europa nein?

Ich bin kein großer Anhänger der Stärkung der europäischen Institutionen. Ich bin ein Politiker, der fest auf nationaler Grundlage steht. Ich bin aber auch kein Doktrinär. Es gibt Gebiete, da brauchen wir mehr Europa, und solche, wo wir weniger Europa brauchen. Bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik brauchen wir mehr EU.

Wenn wir die Rüstungsetats der einzelnen EU-Länder addieren, dann sind wir schon jetzt nicht so weit vom US-amerikanischen Wert entfernt…

Was das betrifft, so ist die Position der EU tatsächlich nicht so schlecht. Ich sehe aber noch einen großen Nachholbedarf bei der Rüstungsindustrie.

Vielleicht ist das Problem mit der europäischen Souveränität aber gar nicht so sehr finanzieller, sondern eher ideeller Natur.

Ich denke hier an den unter europäischen Entscheidungsträgern verbreiteten Trans-atlantismus. Ich erinnere mich noch gut an deutsche Politiker, die mit Blick auf deutsche Interessen zu US-Wünschen auch einmal Nein sagten. Ich bin der Ministerpräsident mit der längsten Amtszeit in Europa. In dieser Zeit habe ich etliche europäische Politiker kennengelernt, die sich für die europäische Souveränität eingesetzt haben.

Was kann Ungarn tun? Steht Ihr Angebot noch, Budapest als Standort für mögliche Friedensgespräche zur Verfügung zu stellen?

Selbstverständlich! Dieses Angebot steht unverändert. Wir müssen aber begreifen, dass dieser Krieg nicht mittels ukrainisch-russischer Verhandlungen ein Ende finden wird. Dazu bedarf es auch amerikanisch-russischer Verhandlungen. Solange jedoch auf diesen beiden Seiten kein klares Friedensinteresse vorhanden ist, wird der Krieg weitergehen. Wir sind unverändert Anhänger eines möglichst baldigen Waffenstillstandes und von Friedensgesprächen.

Bemerken Sie innerhalb der EU ein Umdenken hin zu einer stärkeren Wahrnehmung europäischer Interessen?

Vor ein paar Tagen kritisierte der französische Präsident Emmanuel Macron, dass der Preis, den die USA für ihr Flüssiggas verlangen, nicht gerade ein Freundschaftspreis sei. Diese Bemerkung ließ mich aufhorchen. Möglicherweise hat ja jetzt ein neuer Abschnitt begonnen. Und je mehr die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Europa zunehmen, desto mehr Realismus wird einziehen und desto mehr Tabus könnten gebrochen werden.

Und wie sieht es bei Ihren mitteleuropäischen Amtskollegen aus?

„Wir Ungarn denken auf nationaler Basis.“

In Europa gilt die Regel, dass die Einigkeit der größte Wert ist. Deswegen sind alle sehr vorsichtig, wenn sie eine Meinung formulieren, die vom Mainstream abweicht. Ich rechne nicht damit, dass andere Ministerpräsidenten ohne vorausgegangene Konsultationen einen von der offiziellen EU-Linie abweichenden Standpunkt vertreten würden. Sie sind viel vorsichtiger als beispielsweise wir Ungarn. Wir lassen uns nun einmal nicht gerne das Wort verbieten. Insbesondere den Deutschen fällt es schwer, zu begreifen, dass wir Ungarn anders denken. Bei den Deutschen fand die Unterdrückung stets auf nationaler Basis statt. Die Befreiung spielt sich wiederum auf internationaler Basis ab. In Ungarn war es stets genau umgekehrt. In Ungarn fand die Unterdrückung immer auf internationaler Basis statt. Die Befreiung davon basierte hingegen auf nationaler Basis. Deswegen liegt es in unserer Natur, unseren nationalen Kräften die Priorität zu geben.

In internationalen Gruppierungen erblicken wir hingegen zunächst erst einmal eine potentielle Gefahr. Und erst danach untersuchen wir, ob es für uns gut ist, daran mitzuwirken. Der erste Reflex ist also immer ein abweisender. Das haben wir aus der Geschichte übernommen. Deswegen haben wir auch ein anderes Verhältnis zu den EU-Institutionen, als beispielsweise die Deutschen, die von vornherein erst einmal annehmen, dass diese für die deutschen Interessen sicher gut wären. Wir sehen das anders. Die europäischen Institutionen sind gut, sie sind aber etwas gefährlich Gutes. Wir müssen uns vorsichtig mit ihnen arrangieren. Nicht dass sie am Ende zur Unterdrückung unserer nationalen Interessen führen. Bei den Deutschen gibt es hingegen eher eine große Identifikation mit all den Dingen, die aus Brüssel kommen. Wir sind da deutlich vorsichtiger.

Die offizielle EU-Linie setzt noch immer auf einen totalen Sieg der unterstützten Ukraine. Ungarn wirkt an dieser Linie mehr oder weniger intensiv mit. Haben Sie von Brüssel oder Kiew eine Garantie, dass im Falle einer Konsolidierung der Ukraine die dortige ungarische Minderheit nicht einem Rachefeldzug ukrainischer Nationalisten ausgeliefert ist?

Die Ukraine wurde angegriffen. In einer solchen Situation treten vormalige nationale Zwistigkeiten zurück. Wir Ungarn sind ein großzügiges Volk. Im Vergleich zu dem, was jetzt dem ukrainischen Volk zustößt, steht das, was in der Vergangenheit mit der ungarischen Minderheit in der Ukraine geschehen ist, in keinem Verhältnis. Deswegen halten wir uns jetzt auch mit der Erinnerung an die Angriffe auf die dortige ungarische Minderheit und ihre Rechte bewusst zurück.

Vor dem Krieg hatte Ungarn die NATO-Annäherung der Ukraine blockiert. Wir hatten damals klargemacht, dass die Ukraine, solange der ungarischen Minderheit nicht ihre ursprünglichen Rechte wiedergegeben werden, nicht auf die volle Unterstützung durch Ungarn zählen kann. Stichwort: Sprachengesetz. Jetzt haben wir Krieg und eine völlig andere Situation. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir an Amnesie leiden würden. Wir wissen nach wie vor, dass wir uns mit der Ukraine um eine Vereinbarung kümmern müssen. Darauf werden wir nach dem Krieg auch sofort zurückkommen. Wir würden dann gerne unsere Zusammenarbeit mit der Ukraine in einer umfangreichen Vereinbarung festschreiben. Ein Teil dieser Vereinbarung wäre auf jeden Fall die Garantie der Rechte der dort lebenden ungarischen Minderheit.

Sie haben also die Hoffnung, dass die dortigen Ungarn nach dem Krieg in Ruhe gelassen werden?

Ich bin überzeugt davon, dass Ungarn stark genug ist, um das zu erreichen. Ich vertraue nicht auf die andere Seite, sondern auf unsere eigenen Kräfte.

_____________________________________________________________

Hier das GESAMT-INTERVIEW in der BUDAPESTER ZEITUNG

Die deutschsprachige „Budapester Zeitung“ erscheint als Tageszeitung sowie als Wochenmagazin, auch als e‑paper. Als unabhängige Qualitätszeitung ist sie unerlässlich für objektive (Hintergrund-)Informationen für deutschsprachige Leser in Deutschland und Exil-Deutsche in Ungarn.

Für letztere interessant: Auswanderungeberichte von Deutschen.

Empfehlenswert: Elmar Forster: „Ungarn – Mon amour: Resilienter Gegen-entwurf zur österreichischen Political Correctness – Eine Mentalitätskritik“ (auf UM)

Blick vom Weinberg des Autors

Hier der link zu einem BZ-Probe-Abo.

Quelle: https://unser-mitteleuropa.com/exklusiv-orban-interview-mit-budapester-zeitung-europa-ist-verlierer-des-geopolitischen-ukraine-konflikts/