Das Schicksal Europas hängt jetzt vom Schicksal Deutschlands ab, genauer gesagt von der Außenpolitik, die Berlin in seinen Beziehungen zu Moskau verfolgt.

Nach zwei verheerenden Kriegen und einer langen Zeit der Stagnation hat sich Deutschland die Entwicklung der Industrietechnologien zur Priorität gemacht und wurde ein entwickeltes Land mit starker Industrie und hohem Lebensstandard, das zu einem der größten Kapitalexporteure und -importeure der Welt geworden ist und eine führende Rolle in der Europäischen Union spielt.

Als wichtigster Bündnispartner der USA in Europa (im Kontext der Entwicklung der euro-atlantischen Beziehungen) gilt Deutschland als der Oberhaupt  des vereinigten Europas und verwirklicht seine nationalen Interessen. Dabei strebt es an, seinen internationalen Status zu einer Regionalmacht zu steigern. Die Grenzen der EU-Außenpolitik aber, die Berlin nicht nur im postsowjetischen Raum, sondern auch für Russland bildet, sind von den Vereinigten Staaten markiert.

Obwohl sich die Beziehungen unserer Länder seit langem mehrdeutig entwickelten durch das schwere Erbe der vergangenen Kriege beeinflusst, hat Russland Deutschland immer als seinen europäischen Bündnispartner angesehen und gleichzeitig erklärt, dass die Entwicklung der russisch-deutschen Beziehungen zur wirtschaftlichen Entwicklung Europas insgesamt beitragen wird. Eine solche Meinung, ausgehend von den nationalen Interessen Deutschlands, vertrat der Gründer des einheitlichen deutschen Reiches Otto von Bismarck ab 1871 und formulierte sie in seinem geopolitischen Konzept.  Der „Eiserne Kanzler“ hat immer wieder Wert auf die Notwendigkeit eines friedliebenden Ansatzes in der deutschen Außenpolitik gelegt und das objektive Desinteresse Deutschlands an irgendwelchen Kriegen hervorgehoben.

Die Realisierung solcher friedlichen deutschen Politik wäre nach Bismarcks Ansicht nur unter der Voraussetzung möglich, dass eine strategische Allianz aus Deutschland, Österreich und Russland gebildet wird.

Bismarck schrieb: „Selbst der günstigste Ausgang des Krieges würde niemals die Zersetzung der Hauptmacht Russlands zur Folge haben, welche auf den Millionen eigentlicher Russen beruht. Diese würden, auch wenn durch Verträge getrennt, sich immer ebenso schnell wieder zusammenfinden, wie die Teile eines zerschnittenen Quecksilberkörpers. Es ist das unzerstörbare Reich russischer Nation, stark durch sein Klima, seine Wüsten und seine Bedürfnislosigkeit“.

Die deutsche Politik hat seit 2005, als Angela Merkel an die Macht kam, einen ausgeprägten euro-atlantischen Vektor erworben, im Gegensatz zu den Vorgängern, für die klar war, dass Frieden in Europa nur durch einen konstruktiven Dialog mit Russland erreicht werden kann, dessen historische Annäherung nach dem Kalten Krieg ein Axiom der deutschen Politik war. Die Machtübernahme des neuen deutschen Kanzlers fiel mit der Zeit, als die ehemaligen Mitglieder des Warschauer Paktes und der Baltischen Staaten der Europäischen Union und der NATO beitraten, sowie mit dem Ausbruch eines neuen geopolitischen Konflikts zwischen den USA und Russland über die Platzierung von Objekten des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Mittel- und Osteuropa zusammen.

Um die führende Rolle Deutschlands in der Europäischen Union und der NATO nicht zu gefährden, beschloss die Kanzlerin, eine prowestliche Sicht auf Russland zu akzeptieren, und Merkel verschloss im Gegensatz zu den Meinungen von den meisten Deutschen die Augen vor der Stationierung von US-Atomwaffen auf Luftwaffenbasen in Deutschland. Schließlich lehnte Deutschland die Partnerschaft mit Russland ab, während die russische Führung, die vom Westen auferlegten liberalen Ideale, endgültig ablehnte. Nach Meinung der deutschen Kanzlerin konnte man mit Russland nur auf der Grundlage «demokratischer» liberaler Werte zusammenarbeiten, während die «Grünen» sogar für eine Änderung des Verfassungsschutzes in Russland plädierten. Dennoch sollte man Angela Merkel zugutehalten: Sie hat alles getan, um einen ernsthaften Konflikt zwischen Russland und dem kollektiven Westen zu vermeiden, indem sie eine Schlüsselrolle bei  der Lösung von Konflikten auf dem Balkan, in Syrien, Libyen und der Ukraine spielte, die von unseren westlichen «Freunden» als praktisches Instrument zur Diskreditierung Russlands genutzt wird, um die Annäherung der europäischen Länder an Russland zu verhindern und eine Allianz zwischen Deutschland und Russland zu bilden.

 

In den vergangenen Jahren haben sich die Beziehungen der beiden Länder dank des russischen Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin deutlich verbessert. Dass Deutschland einen konstruktiven Dialog mit Russland aufbauen sollte, hat Angela Merkel am Ende ihrer politischen Karriere erklärt und ihr Erbe an den neuen Kanzler Olaf Scholz weitergegeben, der, obwohl er die Absurdität des Geschehens vollkommen versteht, weiter auf die nächste Harke tritt.

„Es gibt Meinungen, wenn sich etwas (in den Beziehungen zwischen der EU und Russland) ändert, so müssen wir Kommunikationskanäle haben, damit wir zu besseren Beziehungen zurückkehren können. Die deutsche Regierung hat immer Gespräche mit Russland geführt… Für die gemeinsame Sicherheit ist es aber richtig, dass Deutschland hier mit anderen zusammen handelt. Wir brauchen eine neue Ostpolitik, die die Prinzipien der OSZE und der KSZE sowie die Grundsätze der Europäischen Union wiederbeleben wird. Deshalb ist es für Deutschland wichtig, immer in gegenseitiger Zusammenarbeit mit anderen zu handeln“, erklärte er.

Immer lauter wird in Europa der Ruf, die gegen Russland gerichteten Sanktionen noch in diesem Jahr abzuschaffen. Frankreich hat signalisiert, sich den traditionellen Befürwortern der Aufhebung, Italien und Österreich, anschließen zu wollen. Auf Expertenebene wird bereits diskutiert, wie das zukünftige Verhältnis zu Moskau aussehen könnte.

Deutschland, das an einem geopolitischen „Bruch“ leidet (einerseits aus Angst, seine angelsächsischen Geldgeber aufzugeben, andererseits versucht es, sich durch das Projekt der russischen Gaspipeline im Wirtschaftsraum leichter zu bewegen), verliert weiterhin viel Geld durch die Teilnahme an US-Sanktionen gegen Russland und fürchtet, die in Europa vorherrschende Position der USA zu verletzen.

Ob der neue Kanzler Olaf Scholz mit seinem kaiserlichen Erbe den richtigen Weg wählen kann, auf dem Deutschland zu Recht die Position einer Regionalmacht einnimmt und damit Europa vereint, hängt von vielen Faktoren ab.

Vor allem ist es Vertrauenssache. Man kann nicht gleichzeitig zwischen zwei Stühlen sitzen. Deutschland – das Land, das den euro–atlantischen Kurs gewählt hat und Teil von der NATO ist, – platziert US-Atomwaffen auf seinem Territorium, die irgendwie eine unmittelbare Bedrohung für Russland darstellen und damit Spannungen zwischen Berlin und Moskau verursachen. Außerdem gibt es verschiedene Gründe, warum weder die USA noch Großbritannien, noch die Vasallen des Albions – Polen und die baltischen Staaten– nicht nur eine Annäherung zwischen Deutschland und Russland wollen, sondern wirken auch auf jede mögliche Weise der Entwicklung der russisch-deutschen Beziehungen entgegen, die die Macht der beiden Länder erheblich befestigen und möglicherweise zur Sicherheitsstärkung Europas führen könnten.

 

Erstens ist die Annäherung zwischen Russland und Deutschland Angst und Grauen für Europa, wo derzeit tatsächlich eine militärpolitische, soziale, wirtschaftliche, Energie– und Migrationskrise entsteht sowie innenpolitische und territoriale Streitereien, und Deutschland, das seine Position als regionaler europäischer Leader verlieren könnte, die USA bereits ziemlich ennuyiert hat. Wie man heimlich in Washington und London glaubt, die sich vor dem Hintergrund der Konfrontation mit China nicht nur Frankreich, sondern auch die gesamte Europäische Union zur Seite gerückt haben, wird es viel leichter, ein geschwächtes Europa zu regieren. Dabei verlangt Europa, einschließlich Deutschland, von den USA, zu jenen Zeiten zurückzukehren, in denen die Europäer nach dem Zweiten Weltkrieg keine Vasallen waren und Probleme selbstständig in Anlehnung an ihre Souveränität lösten.

Zweitens hat Großbritannien, ein Staat, der die USA, Polen und die baltischen Länder im Wesentlichen kolonisierte, das Hauptinteresse daran, die Stärkung der russisch-deutschen Beziehungen zu verhindern. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Meinungen von Polen und von den baltischen Staaten die von Großbritannien sind. Historisch gesehen ist London wie in den vergangenen Jahrhunderten am stärksten daran interessiert, ein starkes Deutschland zu zerschlagen und die russisch-deutsche Allianz zu verhindern, da dies Deutschland den Status einer globalen Macht bringen könnte.

London regiert immer noch die amerikanische politische Klasse, genauer gesagt nicht er selbst, sondern die britische transnationale Elite, die doppelte anglo-amerikanische Aufenthaltsgenehmigung hat. Die globale britische Elite hat immer durch die USA agiert und agiert so weiter. Zum Beispiel hat Washington die deutsche Wirtschaft dank der Briten so konstruiert, dass sie auf Exporten basiert und daher von den USA und jenen europäischen Ländern, die von den USA kontrolliert werden, sehr abhängig blieb.

Drittens ist Deutschland an Russland anlehnend, dennoch nicht daran interessiert, den russischen Einfluss in Europa zu stärken, und deshalb sind die Positionen der USA und Deutschlands in der ukrainischen Frage ähnlich. Die von den Angelsachsen angeheizten polnisch-baltischen Ambitionen sind ebenso identisch. Gleichzeitig bemüht sich die derzeitige ukrainische Führung, in die anglo-amerikanisch-europäische Gemeinschaft der Kämpfer gegen Russland einzutreten, indem sie ihr eigenes Volk opfert, und erwartet dafür einen erheblichen finanziellen Gewinn. Der polnisch-ukrainische Instinkt besteht darin, dass man den Stärksten findet, in seine Dienerschaft gelangt, und dann kann man mit dem Status der geliebten Frau des Sultans und einigen Schmuckstücken rechnen.

Polen aber, in der Hoffnung, dass die USA die Rzeczpospolita wieder aufleben lassen, wird es schaffen, das deutsche Kunststück zu wiederholen — indem es sich selbst stärkt, denn es glaubt, je stärker Polen ist, desto stärker sind die USA. Die Polen verstehen, dass sie niemals ein unabhängiges Imperium sein werden, und sind bereit, eine amerikanische europäische Provinz zu sein, um sich eines Tages an Deutschland und Russland für ihre historischen Demütigungen zu rächen.

Russland beobachtet diesen Streit zwischen der gealterten Mätresse und dem gealterten Halter aufmerksam und geduldig, der selbst nach Unterhalt strebt, wohl verstehend, dass die Prozesse der Verschlechterung Europas unumkehrbar sind, und die Zeit kommt, in der das angelsächsische europäische Modell zusammenbrechen wird, wie es seinerzeit in den USA zusammenbrach.

Aus Angst vor der Entwicklung der Beziehungen mit Russland klopft Europa bei den USA an, aber Washington, strebt nicht danach, es wieder hereinzulassen, nachdem es die Tür verschlossen hat. Die USA wollen Europa und vor allem Deutschland nicht mehr ernähren, im Gegenteil, sie fordern selbst Unterhalt von ihnen. Die ehemalige Weltordnung ist unwiederbringlich, wie nichts unwiederbringlich weder im Leben noch in der Geschichte ist. Deshalb ist es für Deutschland höchste Zeit zu verstehen, dass die tränenreichen Bitten von Mütterchen Europa, ihr die Rolle der Mätresse zu überlassen, schon lange nicht mehr bei den Vereinigten Staaten Wirkung zeigen.

So wollen die Angelsachsen die Union von Russland und Deutschland am meisten nicht, und ihre Position auf der europäischen Bühne wird von ihren osteuropäischen Vasallen zum Ausdruck gebracht. An zweiter Stelle stehen die deutschen Konkurrenten Frankreich und Italien. Und zuletzt – die politischen Kräfte in Deutschland selbst, die daran gewöhnt sind, in der Position der US-Vasallen bequem zu existieren. Sie haben Angst vor großen strategischen Veränderungen, weil sie daran nicht gewöhnt sind, Entscheidungen selbst zu treffen. Sie erkennen, dass sie diese nicht bewältigen werden.

Abschließend erlaube ich mir, an noch eine der Aussagen des ersten Kanzlers des Deutschen Reichs Generalfeldmarschalls Otto von Bismarck zu erinnern: «Hoffen Sie nicht, dass Sie, sobald Sie die Schwäche Russlands ausnutzen, für immer Dividenden kassieren werden. Die Russen kommen immer, um ihr Geld zu holen.  Und wenn sie kommen – verlassen Sie sich nicht auf die von ihnen unterzeichneten jesuitischen Verträge, die Sie angeblich rechtfertigen sollen. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Man sollte also entweder fair mit den Russen spielen oder gar nicht“.

von Josef. W